Auf einem Umweg zur Berufung 

Vor 25 Jahren hat Sr. Dorothee Laufenberg, 65, ihr Leben komplett verändert – und diesen Schritt nie bereut. Für Leben Jetzt, das Magazin der Steyler Missionare, erzählt sie von ihrer Berufung.

Als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Sozial- und Arbeitsrecht waren meine Tage immer ausgefüllt: Mandantengespräche, Akten und Gerichtsverhandlungen. Privatleben hatte ich nur wenig. Mal ein Skatabend, mal mit einem Buch auf der Couch, mal ein bisschen Tennis. Mein Glaube, der mich in Kindheit und Jugend sehr ausgefüllt hatte, lag in dieser Zeit ziemlich brach. Früh hatte ich mich in der Kinder- und Jugendarbeit unserer Pfarre engagiert, war Gruppenleiterin und später Diözesanvorsitzende des BDKJ gewesen. Gerne hätte ich Sozialwissenschaften studiert, da mich Themen wie Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung angesprochen haben. Dies scheiterte jedoch zum einen an meinen Eltern, die das für brotlos hielten, zum anderen am Numerus clausus.

Für Jura hatte ich mich entschieden, weil ich als Rechtsanwältin die Möglichkeit sah, mich für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. In der Praxis musste ich dann zwar erfahren, dass meine Sehnsucht nach Gerechtigkeit nicht immer mit unserem Rechtssystem übereinstimmt. Aber die Arbeit mit den Menschen hat mir immer gefallen. Damals war auch viel Seelsorge dabei: Meine Mandanten haben mir ihre Geschichten erzählt, von ihrem Schmerz, Zorn, Ärger und Kummer berichtet

Ich war recht erfolgreich. Von einer kleinen Mietwohnung in der Stadt zog ich nach einigen Jahren in eine Eigentumswohnung auf dem Land. Und dort, im Ländlichen, fand ich wieder Anschluss an meinen Glauben. Zum Pfarrer hatte ich einen guten Draht, ich engagierte mich im Pfarrgemeinderat, nahm mir wieder Zeit für kirchliche Gemeinschaft. Dann entdeckte ich in meiner Lieblingsbuchhandlung ein Buch mit dem Titel „Frauenorden in Deutschland“ – nach dem ich vermutlich nicht gegriffen hätte, wenn der Herausgeber nicht mein früherer BDKJ-Kollege gewesen wäre. Stichworte wie Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Frauen in der Pastoral – genau meine Themen! Kurz entschlossen schrieb ich einen Brief an den Orden der Steyler Missionsschwestern, die mich zu sich einluden. Fast 30 Jahre ist das jetzt her.

Im Dreifaltigkeitskloster Laupheim habe ich mich direkt wohlgefühlt. Dort erfuhr ich auch erstmals von der Möglichkeit zu Exerzitien. Zweimal im Abstand von sechs Monaten habe ich daran teilgenommen und gemerkt: Da verdichtet sich etwas. Mir wurde klar, wie wichtig mir dieser Gott geworden ist. Dass er für mich und alle ein Leben in Fülle will, ein Leben mit all dem, was ich kann und was ich nicht kann. Er mich mit allen Stärken und Schwächen nimmt, wie ich bin. Das fühlte sich für mein Herz, meine Seele und meinen Verstand sehr stimmig an. 

Natürlich gab es auf meiner Suche auch Momente der Verunsicherung. Aber als ich in der heißen Phase der Entscheidung wieder einmal zu Besuch in Laupheim war, begegnete mir auf der Treppe zufällig Sr. Lucielde. Und da dachte ich: Wenn ich mal so alt bin wie sie – und so zufrieden aussehe –, dann habe ich alles erreicht! Heute nehme ich Gott ernster als in meiner Jugend. Ich versuche, ihn mehr verstehen zu lernen, auf ihn zu hören – und zu akzeptieren, dass die Suche kein Ende haben wird. Das Leben jedoch hat Sinn, ob ich ihn verstehe oder nicht. Ich habe nicht die Kontrolle über dieses Leben, aber ich vertraue darauf, dass es bei ihm in guten Händen ist.

Sr. Dorothee Laufenberg

Mit freundlicher Genehmigung von Leben Jetzt, dem Magazin der Steyler Missionare.