„Es ist wie nach Hause kommen“

Ruf, Beruf, Berufung: Maria Müller ist seit 2011 Ordensmitglied der Steyler Missionsschwestern. Mit vier anderen Schwestern aus drei Nationen wohnt die 32-Jährige in einer Wohngemeinschaft in Frankfurt. Ein Interview von Anna Parschan (Bistum Limburg, Pressestelle).

Sr. Maria Müller lebt in Frankfurt

Schwester Maria, warum sind Sie Nonne geworden?
Sr. Maria Müller: Ehrlich gesagt war das nie mein fester Plan, aber mich hat das Thema immer wieder beschäftigt und nicht so ganz losgelassen. Während meinem Work & Travel nach dem Abitur in Australien und als ich molekulare Biotechnologie studierte, war ich immer auf der Suche nach etwas Tiefgründigerem. Mein Studium hat mir Spaß gemacht, aber irgendetwas hat mir noch gefehlt. Manchmal hatte ich Krisen, in denen ich mir dachte: Mensch, das reicht mir einfach nicht. Durch die Katholische Hochschulgemeinde an der Universität konnte ich dieser Frage mehr nachgehen. Dort habe ich mich nochmal sehr mit meinem Glauben beschäftigt. Wie geht Glaube und was ist eigentlich eine Gottesbeziehung? Ich bin der Hoffnung nachgegangen, dass ich da dieses „Mehr im Leben“, was ich nie genau benennen konnte, finde. Ich bin dann auf den Freiwilligendienst des Ordens gestoßen, denn ich kannte die Steyler Schwestern schon lange durch meine Familie. In dem Vorbereitungskurs und in meiner Zeit in Papua-Neuguinea habe ich dann gemerkt: Das ist es, das will ich machen.

Wie hat sich das angefühlt, diese Lücke in Ihrem Leben schließen zu können?
All die Aufgaben und Projekte, die die Steyler Schwestern damals machten, erschienen mir einfach sehr sinnvoll. Ich habe mich so angezogen gefühlt von dem Ordensleben, dass Frauen in einer Gemeinschaft leben, zusammen viel bewegen und alle die besondere Beziehung zu Gott teilen. Wenn ich in die Häuser der Schwestern kam, hat sich das angefühlt, wie nach Hause zu kommen. Gleichzeitige dachte ich, ich hatte doch einen anderen Plan, nämlich in die Forschung gehen und in den Naturwissenschaften Karriere machen. Auf einmal aber war der Plan durchkreuzt, denn ich hatte im Ordensleben endlich ein paar Antworten auf meine Fragen gefunden. Trotzdem war es für mich ein längerer Entscheidungsprozess mit viel Vorbereitungszeit im Orden. Ich hätte mir außerdem auch eine eigene Familie vorstellen können. Ich habe lange mit mir gerungen, aber dann war ich irgendwann an einem Punkt, da dachte ich mir: Ich probiere es jetzt einfach mal aus und mache es. Als ich mich endlich entschieden hatte, war das überwältigend, denn ich habe innerlich gemerkt, dass das passt. Und es fühlt sich bis heute richtig gut an. Meine Familie hat meine Entscheidung auch gut aufgenommen.

Sie haben gerade schon vom Thema Kinderwunsch gesprochen. Wie gehen Sie heute damit um?
Das ist schwierig, man muss sich immer wieder neu dagegen entscheiden. Gegen Kinder und für den Ordnen. Ich mache das, weil ich durch die Verbundenheit mit Gott in dieser Gemeinschaft freier, freudiger und friedfertiger leben kann. Dafür kann ich dann andere Dinge aufgeben. Das hat natürlich auch stark mit meiner Entschiedenheit zu diesem Leben zu tun. Außerdem denke ich, wenn man sich für Kinder entscheidet, gibt man auch Freiheiten auf, aber man weiß eben wofür. Ähnlich ist das für mich auch mit dem Orden, man muss nur wissen, wofür man es tut. Jeder von uns gewinnt sehr viel und gibt zugleich manches auf.

Wie sieht das Leben in der Frauengemeinschaft aus?
Das Leben in unserem Orden ist sehr vielseitig. Wir arbeiten missionarisch, demnach versuchen wir, je nach Situation in jedem Land, dort zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Hier in Frankfurt haben wir einen sozialpastoralen Schwerpunkt und stellen die Arbeit mit Menschen in Armut und Not in den Vordergrund. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie brauchen Menschen auf der Straße unsere Hilfe besonders und wir versuchen, in Brennpunkten zu helfen. Jede Woche sieht bei mir ein bisschen anders aus, je nachdem welche sozialen Projekte anstehen. Neben der Arbeit gibt es aber immer die Möglichkeit, gemeinsam zu essen und zu beten. In meiner freien Zeit treffe ich Freunde oder gehe gern in den Wald, das brauche ich auch als Ausgleich. Zentral ist aber das Leben in der Gemeinschaft, das ist charismatisch in unserem Ordnen. Im Grunde sind wir wie eine normale Wohngemeinschaft, nur sehr verbindlicher. Das Miteinander ist natürlich auch herausfordernd, besonders wenn die Kommunikation mal nicht läuft, das ist wie in einer Familie. Wir leben in einer internationalen und interkulturellen Gemeinschaft, was den Horizont enorm erweitert. Man ist herausgefordert, sich auch auf Kompromisse einzulassen. Kleinigkeiten werden schnell unwichtig und das gibt einem eine große Weite und eine gewisse Gelassenheit in manchen Dingen. Aber ich denke, egal welchen Weg man wählt, wenn man seinen Weg mit Gott findet, führt das zu mehr Frieden, Freiheit und Freude. Und für mich ist es eben das Leben im Kloster.

Die katholische Kirche sieht sich derzeit mit der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs besonders konfrontiert. Wenn Menschen Sie darauf ansprechen, wie Sie bei diesen Skandalen noch Schwester sein und für die katholische Kirche arbeiten können und wollen, was antworten Sie?
Dass ich froh bin, dass wir endlich darüber sprechen. Es ist gut, dass nun gehandelt wird, Kirche muss dafür kritisiert und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden. Ich leide auch sehr unter diesen schrecklichen Taten, auch in Ordensgemeinschaften gibt es sexuellen Missbrauch. Natürlich kann ich verstehen, dass das viele Menschen abschreckt, aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, das so viel mehr hinter Kirche steckt. Generell gibt es viele Gründe, die einen abhalten können, Schwester zu werden. Aber für mich ist die Kirche mehr als diese Skandale und Gott mehr als nur Kirche. Es gibt andere Bereiche, die ich darüber hinweg nicht übersehen möchte, wo zum Beispiel Glaube authentisch gelebt wird und Dinge durch Kirche möglich gemacht werden. Durch das Beten verändere ich mich so, dass ich mehr Gutes tun kann. Ich habe als Schwester einen freieren Umgang mit mir selbst und das verändert mich zum Positiven und deshalb bin ich im Kloster.

Was macht Ihnen am Nonnesein am meisten Freude?
Ich glaube, das coolste ist, dass man gemeinsam einiges erreichen kann, auf ganz vielen unterschiedlichen Ebenen. Das hätte ich alleine nie auf die Beine stellen können. Dadurch dass wir weltweit vertreten sind, können wir auf verschiedene aktuelle Nöte reagieren. Als zahlreiche Flüchtlinge nach Europa kamen, haben wir umgehend gehandelt und eine Kommunität in Athen gegründet. In solchen Situationen merke ich, dass ich zu einem Orden gehöre, der wirklich gemeinsam mit den Menschen versucht, Antworten zu gestalten. Das finde ich sehr erfüllend! Leider sind derzeit aufgrund von Corona einige Projekte wie unsere Schwestern-Pommesbude oder das Kleidercafé nicht möglich. Wir hoffen, bald wieder öffnen zu können und versuchen, über andere Kommunikationswege den Menschen nahe zu sein. Ich bin außerdem gerne Schwester, denn ich hätte mich als Mensch ohne die Unterstützung meiner Schwestern nie so entwickeln können. Zudem kann ich durch die Gemeinschaft und die Ordensstrukturen meine Beziehung zu Gott so pflegen, wie ich es mir wünsche. Allein, dass ich direkt um die Ecke eine Kapelle habe, macht es mir viel leichter.
 

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Bistums Limburg