„Der Himmel geht über allen auf“

Sr. Bettina Rupp ist am 29. November mit dem Maria-Grönefeld-Preis ausgezeichnet worden. Bei einer Feierstunde nahm sie den Preis stellvertretend für alle Menschen entgegen, die mit ihr die Wege in Mönchengladbach und Frankfurt gegangen sind. Es war ein Abend großer Freude, der ganz im Zeichen von Begegnungen stand.

Dr. Manfred Körber, der Vorsitzende der Maria Grönefeld Stiftung, überreicht Sr. Bettina Rupp den Preis

Herzliche Umarmungen, kleine Freudenschreie und fröhliches Geplapper hallten durch die Räume des Nell-Breuning-Hauses in Herzogenrath bei Aachen. Und eine kam aus dem Strahlen gar nicht mehr heraus: Sr. Bettina Rupp. Sichtlich gerührt über die vielen bekannten Gesichter – Familienmitglieder, Takler*innen, Mitschwestern, Freund*innen, Weggefährt*innen – begrüßte sie ihre Gäste und zeigte schon auf diesem Weg, wofür sie eine besondere Gabe besitzt: Orte der Begegnungen zu schaffen.

Die Bedeutung von Begegnungsorten hob auch Dr. Manfred Körber, der Vorsitzende der Maria Grönefeld Stiftung, hervor: „Heute sind viele nur noch in ihren eigenen Bubble unterwegs. So kann es nicht funktionieren. Bildung und Demokratie brauchen Begegnungsorte, damit Menschen dort voneinander lernen, miteinander ins Gespräch kommen. Unsere Preisträgerin schafft genau diese Räume und steht beharrlich und fest an der Seite der Verletzlichen und damit in der Tradition von Maria Grönefeld.“

Auch Laudatorin Dr. Sandra Lassek, eine gemeinsame MaZ-Weggefährtin und heutige theologische Grundsatzreferentin bei Misereor, betonte, dass Sr. Bettina an ihren verschiedenen Wirkungsstätten keine Widerstände gescheut hat, um ihre Visionen umzusetzen. „Du hast dich nicht entmutigen lassen, nicht aufgegeben, bist manchmal ungewöhnliche Wege gegangen, um den Menschen ihr Menschsein zu ermöglichen. Mit spirituellen und kreativen Ideen hast du Orte geschaffen, an denen Gott erfahrbar wird.“

Der Treff am Kapellchen (TaK) in Mönchengladbach ist einer davon. Hier kommen Menschen unterschiedlichster Milieus zusammen, teilen ihre Zeit, ihre Ideen, ihr Leben miteinander, um aus den Lebensimpulsen des Evangeliums heraus Gesellschaft und Kirche neu zu prägen. Sr. Bettina Rupp hat diesen Ort gemeinsam mit dem verstorbenen Priester Edi Erlemann aufgebaut. „Mit Leidenschaft und Herzblut“, wie es Sandra Lassek weiter ausführte, „hast du die Menschen um dich herum für die Projekte begeistert und zum Mitmachen animiert. Es waren immer wieder Revolutionen von unten heraus und das sind oft die, die funktionieren. Du zeigst in deinen Projekten, wie trotz der Kirchenkrise christliche Existenz gelingen kann. Authentisch wird dort Gottes Gerechtigkeit sichtbar.“

Dankbar für die vielen schönen Worte und unter großem Applaus nahm die 58-jährige Ordensschwester den Maria-Grönefeld-Preis und ein Kunstwerk entgegen, bevor auch sie ans Mikrofon trat und aus einem Lied von Gregor Linßen zitierte: „‘Wir werden gehn und weitergehn und weitergehn, bis hin zum Horizont, werden stehn, am Ende stehn, endlich verstehn, dass dein Reich schon hier beginnt, hier, wo der Weg beginnt.‘ Ich nehme den Preis stellvertretend für alle an, die dieses Reich möglich machen, es mit Leben füllen. Dieser Preis gehört uns allen“, sagte Sr. Bettina Rupp und nahm die Festgemeinde mit auf eine fotografische Reise nach Mönchengladbach und Frankfurt.

Nach der Arbeit im TaK ging Sr. Bettina 2016 nach Frankfurt. Wie schon in Mönchengladbach war es ihr Anspruch, Menschen zusammenzubringen, die sich sonst vielleicht nicht begegnen würden. Zu einem solchen Ort ist der ganze Kirchort St. Aposteln in Frankfurt mit vielen kleinen Projekten geworden: dem offenen Kühlschrank, wo Lebensmittel geteilt werden können, dem KleiCa, wo Menschen Kleider abgeben, damit andere sie verwenden können und dann gemeinsam einen Kaffee trinken, dem freizugänglichen Klavier, dem Geschenkeschrank und der Pommesbude.

Ein besonderes Anliegen ist Sr. Bettina das Nachtcafé für akut in Not geratene Frauen. „Jede Nacht, die eine Frau unversehrt und sicher verbringen kann, ist eine gute Nacht. Welche Kraft das Leben hat, sehe ich an den Frauen, die ihr Leben bedroht sehen“, erzählte Sr. Bettina in ihrer Dankesrede und gab allen mit auf den Weg, dass die Kirche wieder mehr vom Menschen her denken müsse, damit solidarisches Leben möglich werde. Dieser Wunsch wird in einem Lied ganz besonders deutlich, das im TaK seit den gemeinsamen Zeiten von Sr. Bettina und Edmund Erlemann gesungen wird: „Der Himmel geht über allen auf!“ Diese Zeilen stimmte die Festgemeinde spontan an und so endetet der Abend, wie er begonnen hatte: mit Umarmungen, Gratulationen, dem gemeinsamen Anstoßen und vielen schönen Begegnungen!

Steffi Mager

 

Info: Zum fünften Mal wurde am 29. November der Maria-Grönefeld-Preis verliehen. Die Stiftung knüpft an das Lebenswerk von Dr. Maria Grönefeld (*1941, †1993) an. Die streitbare Arbeiterin, Pädagogin und Wissenschaftlerin engagierte sich für eine menschenwürdige Arbeitswelt, eine sozial gerechte und demokratische Ordnung und ein christliches Zeugnis, das gesellschaftspolitisch wirkt. Mehr dazu auf der Homepage der Stiftung.

Sr. Bettina bei ihrer Dankesrede
Sr. Bettina mit ihrer Laudatorin Dr. Sandra Lassak
Johannes Eschweiler und Gisela Rees überbringen Grüße vom Volksverein und vom TaK
Die ganze Festgemeinschaft
Anstoßen darf nicht fehlen!