Impuls zur Fastenzeit

Fastenzeit: Zeit der Klarheit – Zuwendung – Gelassenheit. "Diese drei Wörter treffen für mich die Bedeutung der Fastenzeit", schreibt Sr. Maria Müller.

In den vierzig Tagen vor Ostern ist Vorbereitung angesagt. Eine ganz schön lange Zeit, die man dazu nutzen kann, wieder einmal das Überflüssige und Ungesunde beiseite zu lassen. Die Fastenzeit darauf zu reduzieren ein paar Pfunde zu verlieren, würde ihr nicht gerecht werden. Der vordergründige Verzicht soll einladen zu mehr Klarheit. Die Fastenzeit macht aufmerksam auf das, was mir den Blick verstellt auf den lebendigen, unverfügbaren Gott. Das können schräge Vorstellungen von Gott sein. Karl Rahner zählt ein paar dieser Vorstellungen auf: „ein begreiflicher Gott, ein Gott der kleinen Gedanken und billig anspruchslosen Gefühle des Menschen, ein Gott der irdischen Sicherheit, ein Gott, der dafür sorgt, daß die Kinder nicht weinen und die Menschenliebe nicht in Enttäuschung mündet, ein sehr ehrwürdiger – Götze.“ (Rahner 1987, S. 175)

Um ehrlich zu sein, wäre mir manchmal ein solcher bequemer Gott auch lieber, aber unser Gott ist anders, er ist unbegreiflich und fühlt sich oft fern an. Gleichzeitig ist er uns unglaublich nah. Das kann man erfahren, wenn man alles lässt, alle Vorstellungen, wie Gott zu sein hat, alle Vorstellungen, wer ich bin, alle Vorstellungen, wie die anderen zu sein haben. Wenn man sich fallen lässt in die vermeintliche „Leere“, wie es Rahner nennt. Wir können alles lassen, weil er uns nicht lässt. Wir können unsere kleinen Vorstellungen von dem, was Leben in Fülle heißt, loslassen und werden erfahren, dass Gott es überhöht. Weil das anspruchsvoll ist, hilft es sicher, klein, konkret und konsequent anzufangen.

Dennoch geht es in der Fastenzeit neben dieser eher unbequemen und herausfordernden Klarheit auch um Zuwendung. In seiner Passion bleibt Jesus dem Vater zugewandt, besonders deutlich ist das kurz vor seinem Tod. Dort berichten die Evangelisten Markus und Matthäus, dass er schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Mt 27, 46) Auch da, wo Gottes Abwesenheit so extrem erscheint, spricht Jesus direkt zu ihm. Jesus wendet sich an ihn, an die Leere, die Ferne. Die Aufforderung am Aschermittwoch: Kehrt um, und glaub an das Evangelium! Meint genau das. Sich umwenden, sich ihm zuwenden, das enttäuschte, das leidende, das verzweifelte Herz ihm hinzuhalten, ihm zuzuwenden. Manchmal lässt Gott sich Zeit, aber die Hoffnung, dass er Jesus nicht im Grab gelassen hat, lässt erahnen, dass Er auf unser Zugewandtbleiben mit seiner überfließenden Zuwendung antwortet. Aus meiner Erfahrung ist das eher unspektakulär, eher leise und zärtlich und gleichzeitig tragend und verlässlich.

Die Fastenzeit ist eine Zeit der Umkehr, der Hinwendung zu Gott, der Zuwendung Gottes.
Die Gelassenheit ist das, was Klarheit und Zuwendung verbindet. Wer immer wieder in dem Vertrauen auf Gott loslässt, bei dem oder der stellt sich Gelassenheit ein. Nicht eine Gelassenheit, der alles egal ist, im Gegenteil, eine hoffnungsvolle Gelassenheit, die Gottes Gnade erwartet. Die das eigene Unverständnis und Leiden aushalten kann, weil es in seiner Gegenwart ausgehalten und verwandelt wird. Dazu fordert die Fastenzeit auf, ganz bewusst Orte und Zeiten zu schaffen, in dem das Unvollkommene, das Leidvolle, das Zerbrochene, das Ungerechte, was im Alltag so oft übergangen wird, da sein darf, wo es gelassen werden kann und wo in Hinwendung zu Gott Neues entsteht.

Diese Hoffnung ist nur durch die Auferstehung begründet und so wie Jesus nicht davon gelaufen ist vor dem Kreuz, sondern alles zugelassen und verloren hat, zeigt seine Auferstehung, dass das nicht das letzte Wort sein wird. Dass Hoffnung in ihn begründet ist, dass wir eingeladen sind, hoffnungsvoll mit ihm zu leben.

Sr. Maria Müller



Rahner, Karl (1987): Das große Kirchenjahr. Geistliche Texte, 3. Auflage, Freiburg.