„Jeder bringt sich mit seinen Gaben und Talenten ein“

Ende Oktober trafen sich 13 Mitglieder der Lebensgemeinschaft in Steyl, um sich „endlich mal wieder live zu sehen“, wie es Klemens Rodemann beschreibt. Im Interview mit Steffi Mager erzählt er von den Anfängen der Gemeinschaft und warum dieses Wochenende allen gut getan hat.

Die Lebensgemeinschaft mit den Steyler Missionsschwestern traf sich nach langer Zeit wieder einmal persönlich

Lieber Herr Rodemann, die Lebensgemeinschaft traf sich über das verlängerte erste November-Wochenende. War die Wiedersehensfreude groß?
Ja, so kann man es beschreiben. Das war das erste Präsenztreffen seit 2019. Wir hatten außerdem schon seit längerer Zeit zwei Interessentinnen, die unsere Lebensgemeinschaft kennenlernen wollten. Für sie war es sehr hilfreich, dass wir uns in Steyl persönlich begegnen durften. Der Feiertag am Montag kam uns auch sehr entgegen, so hatten wir zwei volle gestaltete Tage im Kloster und hatten nicht schon am Samstagabend wieder den Abschiedsdruck. 

Gab es ein besonderes Thema für das Wochenende?
Nein, das hatten wir nicht. Es hat sich von den vorherigen Treffen ein Tagesablauf und ein Ritual herauskristallisiert. Am Ankunftsabend erzählen wir immer, was uns im Leben gerade bewegt und wie es uns geht. Das ist uns als Gemeinschaft sehr wichtig, weil wir ja alle aus verschiedenen Lebenskontexten kommen und uns nicht so häufig sehen und austauschen. Wir sind am Samstag mit einer Tai Chi-Einheit in den Tag gestartet. Und dann hatten wir eine sehr gute thematische Einheit, die uns als Gruppe weitergebracht hat. 

Um was ging es bei dieser Einheit?
Wir haben uns die Frage gestellt, wie geht es mir in der Lebensgemeinschaft und wo möchten wir hin. Wir haben lange miteinander gerungen, ob wir als Gruppe nicht ein gemeinsames Projekt brauchen, das uns als Gruppe verbindet. Wenn wir uns doch LEBENS-GEMEINSCHAFT nennen, brauchen wir dann nicht auch etwas Gemeinsames? Über diese Einheit haben wir eine Klarheit für uns erfahren, dass wir uns als Gemeinschaft nicht über ein gemeinsames Projekt definieren müssen. Jede und jeder geht seinen realisierbaren Weg mit den Schwestern, der für sie und ihn stimmig ist. Jetzt dürfen wir das Geschenk unserer Berufung in der Gemeinschaft annehmen und leben. Am Ende hatten wir alle ein gutes Gefühl, weil dieses Thema vom Tisch war, das uns über einen längeren Zeitraum blockiert hat. Die Stimmung nach dieser Einheit war gelöst und es wurde ein sehr frohmachendes Wochenende. 

Was stand noch auf dem Programm?
Es gab meditative Einheiten, gemeinsame Gebetszeiten und Zeiten der inneren und äußeren Ruhe. Außerdem sind wir den Mutter-Josepha-Weg in Issum gepilgert und haben uns das neue in:spirit Begegnungshaus in Steyl angesehen. An den beiden Abenden hatten wir sogenannte ‚Vertellekes‘-Runden. Das kann man sich vorstellen wie ein ungezwungenes Gespräch in einem Cafe, bei dem man sich Anekdoten aus seinem Leben erzählt. Wir haben viel gelacht und viele neue Seiten und Lebenswege aneinander entdeckt. 

Einige aus Ihrer Gruppe haben an diesem Wochenende auch ein kleines Jubiläum gefeiert. 
Ja, das stimmt. Einige haben vor fünf Jahren in Steyl ihr Versprechen abgelegt, um noch näher die Spiritualität in der Lebensgemeinschaft mit den Steyler Missionsschwestern zu leben. In meinem Rückblick begann unser gemeinsamer Weg schon früher, im Jahr 2012 in Bötzingen. Dort gab es eine Kommunität der Schwestern. Sr. Gabriele Hölzer und Sr. Miriam Altenhofen luden Interessierte ein, um über einen gemeinsamen Weg mit den Steyler Missionsschwestern in einen Austausch zu kommen und Ideen zu sammeln. Nach nun neun Jahren dürfen wir sagen, dass eine frühe Vision von Sr. Gabriele Hölzer sich entwickelt hat und weiter in und mit der Entwicklung lebt. 

Was von dem, was Sie 2012 angedacht haben, ist bis heute geblieben?
Uns war von Anfang an wichtig, dass wir als Gruppe mit Schwestern gemeinsam unterwegs sein möchten. Schwestern, die wie selbstverständlich dazugehören, aber die Gruppe nicht leiten oder anleiten müssen. Wir leben und gestalten unseren gemeinsamen Weg aus der Vielfalt unserer eigenen Gaben und Talente. Das ist nicht immer leicht und es braucht immer wieder mal klärende Gespräche und Lösungen, aber aus heutiger Sicht ist es eine Bereicherung für uns alle. Unser Fundament war und ist die Spiritualität der Steyler Missionsschwestern, die wir an unseren verschiedenen Wohnorten und Wirkungsstätten leben. 

Ihre Gemeinschaft ist in ganz Deutschland verstreut.  Wie halten Sie Kontakt?
Vieles läuft über E-Mail, WhatsApp oder auch schon mal über das Telefon. In der akuten Corona-Zeit haben wir uns auch über eine Zoom-Konferenz virtuell getroffen. Jeden Monat schreibt ein Mitglied unserer Gruppe einen Impuls, den wir an alle mailen. Zwei Mal im Jahr treffen wir uns. Außerdem halten wir den Kontakt zu den Schwestern, indem sich jede und jeder in den Kommunitäten einbringt, so wie es zeitlich passt. Meine Frau Beate und ich werden zum Beispiel 2022 mit den Schwestern beim Katholikentag in Stuttgart sein. Außerdem haben wir uns vorgenommen, dass wir bei den jährlichen Treffen in den Häusern mehr präsent sein wollen. Manche Schwestern wissen vielleicht, dass es die Lebensgemeinschaft gibt, aber nicht wer wir sind. In Steyl haben wir daher ganz spontan gemeinsam mit den Schwestern im großen Speisesaal gegessen und das hat allen gut gefallen. 

Im nächsten Jahr jährt sich das Treffen der ersten Mitglieder zum zehnten Mal. Welche neuen Visionen gibt es für die Lebensgemeinschaft?
Das ist eine gute Frage. Aus meiner Wahrnehmung haben wir als Gemeinschaft und auch jede und jeder noch Visionen, die sich vielleicht noch im Inneren verbergen. Aber vielleicht ist es auch gar nicht so von Bedeutung, sondern eher die Möglichkeit, Zeit zu haben, dass sich Neues entwickeln oder entfalten kann. Meine persönliche Vision für unsere Lebensgemeinschaft ist, Menschen zu begeistern, die für sich entdecken, die Lebensgemeinschaft könnte auch was für sie sein. 

Bei der thematischen Arbeit
Führung durch das neue in:spirit Begegnungshaus
Auf dem Mutter Jospha Pilgerweg in Issum
Abendlob in der kleinen Kapelle im Mutterhaus