MaZ: Bolivien schon im Herzen

Marthe ist voll eingetaucht in das hektische Leben in Cochabamba. Wenn sie nicht in ihrem Projekt arbeitet, genießt sie die Kultur und Natur des Landes. In ihrem Rundbrief erzählt die MaZ-Freiwillige von ihrem Leben in Bolivien.

Marthe bei ihrer Arbeit im Projekt

Ich bereue es etwas, dass ich nun erst nach 5.5 Monaten meinen ersten Bericht schreibe. Wo kann ich anfangen? Was soll ich erwähnen und was nicht? Und was kann man nur verstehen, wenn man mit dabei war?

Ich fange erstmal klassisch mit meinem Arbeitsleben an: Ich arbeite für die Fundacion Estrellas en la Calle und bin Teil des Teams Coyera-Wiñana. Das Projekt ist auf die Arbeit Menschen ausgerichtet, die auf der Straße leben, hauptsächlich aus dysfunktionalen Familien stammen und in extremer Armut in den Randgebieten der Stadt Cochabambas leben. Wir versuchen über Bildungs -und Aufklärungsarbeit zu Themen wie Gewalt, Sexismus, Machismus, Sexting, Rechte, Pflichten, Zugang zu Gesundheit, Menschenhandel und Auswirkungen von Drogenkonsum, die Menschen zu erreichen. Als Motivation für die Teilnahme gibt es was zu essen und zu trinken. Nach den interaktiven Vorträgen folgt meist eine Diskussionsrunde. Auch werden oft Einzelgespräche geführt, um mehr über die Lebenssituationen zu erfahren. Ich selbst habe noch keine eigenen Vorträge gehalten, aber mit meinem wachsenden Spanisch werden auch meine Aufgaben wachsen. Bisher habe ich Atemübungen zur Stressbewältigung mit Kindern gemacht, da ich selbst gerne meditiere und Yoga mache. Mein Ziel ist es, auch mal eine Yogastunde anzuleiten. Wenn wir nicht gerade Gruppen von Menschen besuchen, sitzen wir im Office und machen den etwas nervigeren Teil der Arbeit: den Papierkram. Das muss wohl dazugehören und ich werde nach und nach in mehr Dokumente eingeführt. Ein weiterer Teil meiner Arbeit ist es Spenden einzusammeln und mögliche neue Spendenpartner*innen zu finden, da unsere Organisation komplett nur von diesen lebt.

Unsere Nähe zu den Menschen, mit denen wir arbeiten, ist sehr bemerkenswert und wir gehen individuell auf die Bedürfnisse Einzelner ein. Falls sich jemand krank fühlt oder Schmerzen hat, fahren wir ihn/sie ins Krankenhaus und übernehmen die Kosten. Auch verteilen wir ab und zu Essenskörbe oder kaufen und transportieren Möbel, wenn was benötigt wird. Wir arbeiten nämlich nicht nur mit wohnungslosen Menschen zusammen, sondern auch mit Menschen, die die Straße verlassen haben und sich quasi im Wiedereingliederungsprozess befinden, in einem Zimmer leben und Arbeit gefunden haben, meist im informellen Sektor.

Nun zu Cochabamba/ Bolivien: Bolivien liegt im Herzen Südamerikas und in meinem auch. Hier gibt es ganz viel Kunst, Kultur, Tanz, Farben, Musik, Traditionen, Jubel und Trubel – alles, was das Herz begehrt. Montagnachmittag ein Festumzug – ganz normal! Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, dass man jeden Tag etwas feiern könnte. Trotz der Christianisierung des Landes leben weite Teile der Bevölkerung ebenso ihre Naturreligionen. Oft wird der Glaube an Magie und Geister mit dem Katholizismus vermischt. Die Ehrungen von den Gottheiten erfolgen dann meistens auf der Straße in bunten und leuchtenden Kostümen mit traditionellen Tänzen.

Neben der doch sehr zeitintensiven und kräfteraubenden Arbeitszeit versuche ich an möglichst vielen kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen. Besonders gerne träume ich in Kunstausstellungen. Als Ausgleich zu dem hektischen und lauten Stadtleben fliehe ich an Wochenenden gerne mit Freund*innen in die umliegenden Berge oder gehe eine Runde um die hiesige Lagune joggen.

Leider kann ich nicht wirklich an der Essenskultur teilnehmen, da fast jedes typische Gericht Fleisch enthält und ich meinen elfjährigen Vegetarismus hier nicht aufgeben möchte. Deshalb koche ich viel selbst. Mein Obst, Gemüse und andere Leckereien kaufe ich auf dem größten Markt Südamerikas, der Cancha. Dort findet man absolut alles, sogar Tiere…. Aber die kann man auch im Park finden! Vor vier Monaten habe ich eine vier Wochen alte Babykatze gefunden und natürlich mitgenommen und aufgepäppelt. Ihr Name ist Alma und hat sehr dazu beigetragen, dass Cochabamba und unsere WG (ich lebe mit noch zwei Freiwilligen) sich richtig nach „nach Hause kommen“ anfühlt. Wie ich meine Zeit hier beschreiben würde? Intensiv und verträumt zu gleich. Die vergangenen fünf Monate haben viele Gefühle in mir ausgelöst und mir geholfen, mehr zu reflektieren und zu hinterfragen. Ich mag es nicht, wenn ich zu hören bekomme, dass ich gerade „in einer anderen Welt“ lebe. Denn das stimmt nicht, es gibt nur diese eine Welt. Und es macht mich glücklich zu wissen, dass auch hier viele Menschen für ihre Rechte und Interessen kämpfen. Sei es auf der Straße, durch Kunst oder im Netz.

Marthe

Auch für die Beschäftigung der Kinder ist Marthe zuständig
Marthe ist fast täglich bei den Menschen auf der Straße
Oder in den Unterkünften
Marthe liebt die Vielfalt an Obst und Gemüse auf dem Markt
Mit den Steyler Schwestern und Ehrenamtlichen in der Kirche
Die neue Mitbewohnerin
Marthe mit dem jungen Kätzchen