Erst vor ein paar Wochen bin ich hier in Cebu angekommen. Die Zeit war bis jetzt sehr aufregend: viele neue Gesichter, Geschmäcker und Eindrücke. Erst mal muss man sich daran gewöhnen, immer Englisch zu sprechen, gleichzeitig soll die neue Sprache gelernt werden (in Cebu City sprechen die meisten Menschen zwar Englisch, Umgangssprache ist aber Bisaya). Und dann die Temperaturen. Meine Mitfreiwillige Charlotte und ich sind in den ersten Tagen nach dem Frühstück immer direkt wieder ins Bett gegangen. Abends hat man um neun geschlafen, weil die Hitze einen regelrecht erschlagen hat. Dazu kam noch der Jetlag.
Daher war es sehr schön, dass unser Jahr recht gemächlich begonnen hat. Wir sind an einem Donnerstag bei den Schwestern in Cebu eingetroffen und hatten erstmal das Wochenende Zeit, um anzukommen, alle kennenzulernen und uns Sim-Karte und Steckdosenadapter zu kaufen. Da unser dritter Freiwilliger Johannes einen Monat später kommt, wohnen wir für diese Zeit bei den Schwestern im Provinzhaus. Alle sind hier sehr herzlich und freuen sich, dass wir da sind.
Wir lernen hier auch direkt die philippinische Küche kennen, da es drei Mahlzeiten am Tag gibt, plus Snacks zwischen den Mahlzeiten. Dabei steht natürlich immer Reis auf dem Tisch, ganz nach dem Motto: rice is life. Dazu ein bis zwei Arten Fisch und noch andere Gerichte. Für uns ist es am Anfang ein bisschen gewöhnungsbedürftig, auch morgens und abends warm zu essen (einmal gab es zum Frühstück Pepperoni-Pizza). Deswegen wird für uns Toast mit Erdnussbutter rausgestellt. Auf dem Küchenplan steht extra "bread for MaZ". Erster Kulturshock: Es werden keine Messer benutzt. Nur Löffel und Gabeln. Und Hände. Seitdem wir öfters mit den jungen Schwestern und Studentinnen essen, lernen wir das leidenschaftlich und bekommen gute Tipps: Erst den Reis zusammendrücken, dann in die Hand nehmen und mit dem Daumen in den Mund schieben.
Es gibt bei jedem Essen Obst als Nachtisch. In den meisten Fällen bedeutet das Bananen, es gab aber auch schon Mango, Papaya, Kokosnuss, Melone, Guava, Jackfrucht und Apfel. Unsere neue Lieblingsfrucht ist Santol. Sie ist etwa so groß wie eine kleine Orange, außen orange-bräunlich, innen ist das Fruchtfleisch weiß, schwer essbar, da der Kern sehr groß ist und schmeckt süß-säuerlich. In Deutschland gibt‘s die leider nicht.
Von Montag bis Freitag stand ein Bisaya-Sprachkurs an: Maayong Buntag! Kumusta ka? Okey lang, ug ikaw? (Guten Morgen! Wie geht es dir? Gut und dir?). So hörten sich von nun an unsere Konversationen mit den Schwestern an. Diese freuen sich jedes Mal, wenn sie in Bisaya angesprochen werden. Ako si Caro. What? Caro. Carol? Ähh... yeah that's fine.
Wir haben erst mal nur die Grundlagen gelernt. Ich kann sagen, dass ich hungrig, satt und müde bin. Und ich kann dir einen schönen Morgen wünschen. Der Rest kommt dann mit der Zeit. Mitte September geht es für uns auf die Nachbarinsel Bohol, um einen zweiten Sprachkurs zu besuchen. Bis dahin versuchen wir einfach möglichst viel aufzuschnappen.
Wir arbeiten im Balay Samaritano. Das ist ein Drop-in-Shelter für Kinder und ältere Menschen ohne Obdach. Wir lernen langsam alles kennen, erstmal nur jeweils einen halben Tag und nur vier Tage die Woche. Eine Schwester arbeitet dort und geht immer mit uns zusammen hin. Was dort genau passiert, kann ich ja mal aus meiner Perspektive beschreiben:
Um 9 Uhr komme ich an. Alle sitzen auf Bänken und Stühlen um einen kleinen Altar herum. Es wird anscheinend gebetet, aber ich kann es nicht verstehe. Alle sprechen gemeinsam, zwischendurch wird gesungen, können die das alles auswendig?! Das ist aber ganz schön beeindruckend. Nach 30 Minuten ist das Gebet vorbei, ich schwitze, es gibt keine Klimaanlage, nur einen Ventilator. Kinder kommen und umarmen mich, obwohl sie mich gar nicht kennen. Die Schwester zeigt uns die Küche, wir verstauen unsere Sachen.
Die Kinder sitzen alle in einem Klassenraum und bekommen einen „Snack". Ich will gerade die Becher mit Kakao austeilen, da wird gerufen: „Stop, we have to pray first!" Aber das haben wir doch schon gemacht, oder? Ah, das gerade war der Rosenkranz und jetzt kommt das Essensgebet. Auf einmal ist ein älteres Kind weg, die Mitarbeiterin scheint zu wissen, wo es hin ist. Dann sitzt da nur noch die Hälfte der Kinder. Die haben jetzt anscheinend Unterricht, ich weiß aber nicht wo. Und das auch nur am Samstag, wird mir gesagt. Die Scholars kommen sie wohl abholen. Wer sind die Scholars? Ah, Leute von der Uni. Die übriggebliebenen Kinder malen jetzt Ausmalbilder aus. Eine Junge spricht mich an und zeigt auf sein Bild. Ich hab keine Ahnung, was er mir sagen willst. "What are you drawing?" Das hat er jetzt nicht verstanden. Vielleicht will er ja ein neues Blatt? Ich gebe ihm eins, aber anscheinend ist es zu spät und alle packen die Stifte weg. Die Mitarbeiterin sagt etwas und alle stellen sich an der Wand auf. Ich helfe, alle in eine Reihe zu stellen und dann laufen wir los. Wir gehen Hände waschen! Aber der Wasserhahn funktioniert nicht… Die Kinder laufen wieder auseinander, ich bin überfordert und finde die Mitarbeiterin nicht mehr. Dann kommt sie mit einer großen Karaffe Wasser wieder, war sie jetzt gerade in der Küche? Egal, wieder Kinder zusammentrommeln und dann waschen. Nachdem alle auf ihrem Platz sitzen, warten wir aufs Essen. Es gibt Reis mit einem Stück Fleisch und einer Suppe. Die Kinder kriegen zuerst, dann die Älteren. Einzelnen muss geholfen werden, weil sie noch so klein sind. Dann bringen die ersten schon ihre Teller weg und laufen nach draußen. Wir fegen und räumen alles auf. Während wir in der Küche sitzen und für uns Zimtschnecken aufgewärmt werden (die waren übrigens mega), legen sich die Älteren auf die Fliesen im großen Raum und schlafen. Die Kinder sind alle weg. Nach dem Essen bleiben wir noch eine Stunde. Man unterhält sich, Beziehungen und Kontakte sind auf den Philippinen sehr wichtig. Die Schwester nimmt uns dann mit raus. Wir werden mit dem Auto abgeholt, es sind noch andere Schwestern dabei, die wohl von irgendwelchen Terminen kommen. Um zwei Uhr sind wir zurück im Provinzhaus...
Die erste Zeit war also ein bisschen überfordernd. Aber es wird besser. Ich lerne die Abläufe im Balay Samaritano kennen. Die Mitarbeitenden erklären mir die Hintergründe der Einrichtung und weisen mich ein. Ich weiß, was ich zu tun habe und lerne die Namen der Kinder. Durch Sprachbarrieren kommt es zwar viel zu Unsicherheiten und Missverständnissen, aber langsam lerne ich, damit umzugehen. Hier werden Dinge anders organisiert und das ist okay so. Ich gewöhne mich an das Klima, auch wenn ich immer noch mitten in der Nacht aufstehe, um die Klimaanlage höher zu stellen.
Noch ist alles so neu und aufregend, dass das Heimweh keine Chance hat. Und auch wenn das bestimmt noch kommt: Ich freue mich auf die kommenden Monate. Und ich bin froh, dass ich den Mut hatte aufzubrechen.
Ganz liebe Grüße an alle meine Lieben zu Hause,
Caro



