Nun folgt bereits der zweite Rundbrief aus Santa Cruz in Bolivien und es gibt viel Neues von hier zu berichten! Ich bin Elisabeth, 18 Jahre alt und zusammen mit meiner Mit-MaZ Marie im sehr sonnigen Santa Cruz, wo wir mit drei Schwestern zusammenleben. Stichwort sehr sonnig – im Gegensatz zum sehr herbstlich kühlen Wetter in der Heimat, haben wir hier (fast) täglich Sonne mit Temperaturen zwischen 33 bis 40 Grad und befinden uns somit auf der heißesten Einsatzstelle unseres MaZ-Jahrgangs.
Wir arbeiten im „Comedor“, einem Angebot der Gemeinde, wo es eine Mahlzeit und Nachmittagsaktivitäten gibt, aber im Gegensatz zum letzten Bericht von Marie, mittlerweile nur noch zwei Mal in der Woche. Denn seit drei Wochen haben wir nun die offizielle „Erlaubnis“ für unsere zweite Arbeitsstelle. Diese ist der Kindergarten „Nuevo Almanecer“ – „Neues Erwachen“ im Gefängnis Palmasola, dem größten Gefängnis Boliviens mit etwa 8000 Inhaftierten. In diesem Gefängnis dürfen inhaftierte Mütter ihre Kinder bis sie sechs Jahre alt sind mitnehmen. Die Kinder kommen tagsüber zwischen ca. 8:30 und 15 Uhr in den Kindergarten auf dem Gefängnisgelände, der von Schwester Joanna geleitet wird. Dort werden sie in drei Gruppen aufgeteilt. Die ein- bis Zweijährigen, die Zwei- bis Dreijährigen und die Ältesten. Diese Gruppen werden jeweils von einer Erzieherin und einer inhaftierten Frau betreut. Marie und ich wechseln uns wöchentlich mit den ganz Kleinen und Mittleren ab.
Trotz der grauen Gefängnismauern ist der Kindergarten bunt und liebevoll gestalten, sodass man schnell vergisst, dass man sich in einem Gefängnis befindet. Auch der Alltag ist sehr bunt, für alle gibt’s Frühstück, Mittagessen und Vesper, alles frisch aus der Küche des Kindergartens und dazwischen einen Mittagsschlaf. Während die ganz Kleinen noch viel spielen, lernen die anderen bereits ganz fleißig, wie zum Beispiel Formen, Zahlen, Malen und Spielen. Aber auch Tanzen steht sehr hoch im Kurs, bei den Großen und den Kleinen, auch wenn das mit den Choreos noch nicht wirklich klappt, sind alle begeistert. Am Nachmittag, wenn alle geschlafen und noch ein bisschen Obst gegessen haben, bekommen alle Kinder ihre kleinen Rucksäckchen auf und los geht es Hand in Hand zusammen übers Gelände zum Trakt der Frauen, wo sie dann am Tor wieder ihren Müttern übergeben werden. Danach wird noch etwas im Kindergarten gefegt und es geht wieder zurück nach Hause.
Neuerdings gehe ich zwei Mal die Woche zum Volleyball. Dort spiele ich bei der „Plataforma Solidaria“ mit, einem Projekt, um die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Dieses bietet beispielsweise Trainings verschiedener Sportarten an. Dort trainiere ich zunächst mit den Jüngeren mit und danach mit den Jugendlichen, die bereits auf höherem Niveau spielen und wöchentlich auch an Turnieren teilnehmen.
Ansonsten besuchen wir gelegentlich zusammen mit Schwester Viky Familien und Seniorinnen der Gemeinde, mit denen wir uns unterhalten, besser gesagt, mit denen sich Schwester Viky unterhält. Denn auch wenn unser Spanisch immer besser wird, klappt das noch nicht perfekt. Denn die Menschen bei uns im Viertel haben für uns noch eine etwas schwierige Aussprache, in die gerne noch etwas Quechua gemischt wird, aber auch darin verbessern wir uns stetig. Bei den Besuchen werden wir oft mit selbstgemachten Kleinigkeiten verwöhnt, über die wir uns besonders freuen. Vor allem die typischen bolivianischen Gebäcke, wie Empanadas (frittierte Teigtasche mit Käse gefüllt), Salteñas (Teigtasche mit Gemüse und Fleisch) und Cuñape (Käse – Yuca- Bällchen) haben es uns angetan. Ansonsten gehört nun auch das Rosenkranzgebet jeden Freitagabend fest zum Programm. Dabei sind wir jedes Mal bei einer anderen Familie zu Hause und beten zusammen mit einigen aus der Gemeinde. Für mich ist es sehr überraschend, wie viele Kinder und Jugendliche jedes Mal kommen. Manchmal sind mehr Kinder als Erwachsene da.
In unserer Freizeit wird uns wirklich selten langweilig: ein Ausflug zu einem Jahrmarkt mit Schwester Viky und ein paar Kindern des Comedors, wo wir verschiedenste Fahrgeschäfte und Snacks probierten; der Besuch einer bolivianisch-afrikanischen Geburtstagsfeier mit ganz viel verschiedener Musik und Tanz; das Reinfeiern in den Feiertag von Santa Cruz am 24.09. auf dem großen Platz vor der Kathedrale mit Musik und spektakulärem Feuerwerk zusammen mit Schwester Maria oder der Besuch der Feria Expo Cruz 2024, einer riesigen Messe, mit den unterschiedlichsten Ständen, auf der ich überglücklich sogar deutsches Brot ergattern konnte, sind nur einige unserer vielen Erlebnisse der letzten Wochen.
Ein Highlight, über das ich aber noch berichten möchte, ist unser Ausflug Mitte Oktober. Dort nahm uns Gabriela, die uns mit dem Visum geholfen hat und Professorin an der katholischen Universität ist, mit, für ein Wochenende in den „Jardín de la Inmaculada“, nordöstlich, zwei Stunden von Santa Cruz entfernt. Wir reisten in drei Bussen zusammen mit 60 Studierenden an und verbrachten eine Nacht in Zelten, in dem Park, der den Franziskanern gehört. Dort lernten wir zunächst etwas über die Geschichte des Parks und der Franziskaner kennen und wagten uns dann an den Zeltaufbau, den wir zwischen einigen Kühen, die im Park frei herumlaufen, überraschend schnell meisterten. Den Rest des Abends gabs Brötchen mit Wurst „Choripan“ am Lagerfeuer. Nachdem wir am nächsten Morgen wieder von den Kühen begrüßt wurden, beteten und uns stärkten, ging es dann in Kleingruppen ans Müllsammeln. Mit dieser Aktion wurde auch nochmal ein besseres Bewusstsein für die Umwelt geschaffen. Denn leider haben wir besonders hier in Santa Cruz ein großes Müllproblem. Neben dem Müllsammeln konnten wir uns aber auch ganz viel mit den Studierenden unterhalten, welche sehr an uns und unserer Arbeit interessiert waren. So konnten wir ganz viele neue Kontakte knüpfen und freuen uns jetzt schon auf weitere Projekte mit der Gruppe.
Zusammenfassend kann man echt sagen, dass wir hier immer besser ankommen, uns ein Netzwerk aufbauen, viel Neues kennenlernen und erleben und ich bin sehr gespannt, wie unser Abenteuer weitergeht und was wir dann hier als nächstes aus Bolivien berichten können.
Elisabeth