MaZ: Taizé als Hoffnungsquelle

Miriam konnte wegen der Corona Pandemie nicht wie geplant auf die Philippinen. In ihrem Rundbrief erzählt sie nun wo ihr MaZ-Einsatz sie hingebracht hat und welche Erfahrungen sie dort bisher machen durfte.

Dans nos obscurités, allume le feu qui ne s‘éteint jamais
Im Dunkel unsrer Nacht, entzünde das Feuer, das niemals erlischt


Dieser Taizégesang ist für mich gerade in Zeiten von COVID-19 sehr passend.
Durch die Pandemie haben sehr viele Menschen ihren Halt verloren, haben kaum noch das Nötigste zum Leben odersind  erkrankt und damit dem Gesundheitssystem ihres Landes ausgeliefert. So viel Leiden und Einschränkung auf der Welt und trotzdem bin Ich schon seit Ende September als MaZ Freiwillige in Taizé, einer internationalen Männerkommunität in Frankreich, wo ich noch bis Ende Juni bleiben werde, ursprünglich
wäre ich auf die Philippinen nach Cebu gegangen.

Taizé ist für viele ein Ort der Gemeinschaft zu dem sich Woche für Woche vor allem Jugendliche aus der ganzen Welt aufmachen um miteinander zu beten, zu suchen, sich auszutauschen und neue Menschen kennenzulernen, den eigenen Horizont zu erweitern und sich wieder zu orientieren. Ein Mittel, um das zu ermöglichen, ist die Einfachheit von Taizé. Die Schlichtheit und die damit ermöglichte Konzentration auf das Wesentliche, was sowohl das Leben in Taizé als auch die Gebete und Gesänge betrifft. So wird man zum Beispiel in Baracken untergebracht, isst nur mit einem Löffel und sitzt in den Taizégebeten gemeinsam auf dem Boden oder Höckerchen. Die Brüder der Communauté de Taizé und die Schwestern der anderen Gemeinschaften, die in Taizé helfen bekommen Unterstützung von einer Gruppe aus Freiwilligen, um den Empfang der Besucher zu bewältigen.

Als Freiwillige übernehmen wir alle Aufgaben, die zur Durchführung der Jugendtreffen nötig sind. Diese werden wöchentlich neu verteilt und wir können sie uns nicht aussuchen, wodurch wir immer wieder neue Aufgaben haben und in verschiedenen Gruppenkonstellationen zusammenarbeiten können. Der längere Aufenthalt ist aber auch eine Chance über das eigene Leben nachzudenken. Im Gebet, welches dreimal täglich in der Versöhnungskirche Taizés stattfndet, sowie im Austausch mit Anderen kann man bewusst refektieren und die nächsten Schritte im Leben in den Blick nehmen.

Durch COVID-19 war der Empfang von Gästen in Taizé von Ende Oktober bis Februar leider nicht möglich. Davor konnten wir unter Beachtung der Hygienevorschriften und mit begrenzter Anzahl Besucher in Taizé aufnehmen und sogar zwei französische Ferienwochen miterleben, in denen uns viele hunderte Jugendliche besuchen konnten. All die strahlenden Augen, die Dankbarkeit endlich wieder als Jugendgruppe einen größeren Ausfug machen zu können, etwas Neues zu erleben, all das hat man jeden einzelnen Tag spüren können was eine sehr schöne und bereichernde Erfahrung war.

Momentan sind wir noch um die 20 Freiwillige, die über den Lockdown hiergeblieben sind und jetzt im (begrenzten) Empfang von Gästen mithelfen können. Durch die außergewöhnliche Situation hatten wir auch einen veränderten Arbeitsbereich, da alles um den Arbeitsbereich ,,Besucher empfangen“ lange Zeit weggefallen ist. Dadurch waren wir lange im ,‚deep cleaning‘‘ Taizés beschäftigt um alles schon auf neue Besucher vorzubereiten, haben an den täglichen Liveübertragungen des Abendgebets auf YouTube mitgeholfen, wodurch wir Menschen auf der ganzen Welt ermöglichen konnten am gemeinsamen Gebet teilzunehmen, auf Social Media Kontent geteilt und vieles mehr. Jetzt können wir durch den geöfneten Empfang auch wieder im direkten Kontakt Gäste willkommen heißen, sowie deren Aufenthalt und Programm organisieren.

Es ist immer wieder faszinierend wie viele unterschiedlichen Menschen aus verschiedensten Lebenssituationen nach Taizé kommen, diese dann im Laufe der Woche immer stärker als Gruppe zusammenwachsen und sich durch den ofenen Raum zur Kommunikation und Begegnung aufeinander einlassen können. Aufällig ist, dass wir in Taizé nie favorisierte Arbeit haben und sogar beim Müllsammeln und Putzen, dem einfachen aber notwendigem Spaß haben, da wir den Augenblick leben und genießen, was für mich persönlich einer der größten Lernprozesse im Leben ist. In uns ist und war dabei schon immer die Vorfreude Taizé wieder bereit für das Willkommen von Besuchern zu machen und dadurch, dass wir meistens im Team arbeiten, wo Zeit zum Kennenlernen und Austauschen ist, vergeht die Zeit fast immer viel zu schnell.

Taizé schenkt uns im Bezug auf unsere Arbeit großes Vertrauen; oft wird unsere Arbeit nicht sofort kontrolliert sondern von Eigenständigkeit, Pünktlichkeit und Sorgfalt ausgegangen. So lernen wir Verantwortung zu übernehmen und uns aufeinander verlassen zu können. Wir versuchen uns jeden Tag aufs Neue bewusst zu werden, wie dankbar wir sein können, dass wir trotz der Pandemie weiter bleiben dürfen und gebraucht werden.
Auch waren wir in der Vorbereitung des europäischen Jugendtreffens involviert, welches erstmals in Taizé und online stattfand. Die Treffen werden von Taizé organisiert und fnden jeweils zum Jahreswechsel in verschiedenen europäischen Großstädten statt. Dieses Jahr wäre das Treffen in Turin (Italien) gewesen.

Oft kommen dabei mehrere zehntausende Besucher und das Unterwegssein, Aufgenommen werden, die Gemeinschaft und der Austausch spielt eine große Rolle. Obwohl dies durch die Pandemie nicht möglich war, stellte das Treffen online ein Zeichen der Hofnung dar, welches Austausch zwischen Nationen und Konfessionen ermöglichte. Das virtuelle Meeting hatte den Vorteil, dass man ohne sich aktiv auf den Weg machen zu müssen teilnehmen konnte, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Unterstützung erfahren durfte, sowie durch verschiedene Workshops neue Denkanstöße bekam, ein überaus gelungenes Jugendtreffen.

Das gemeinsame Gebet steht hier in Taizé wie als tragende Säule im Vordergrund, es ist ständiger Begleiter und Unterstützer unseres Tages, ein zu Ruhe kommen von der Arbeit und eine Möglichkeit zur Besinnung und Refexion, Zeit mit Gott.

Man muss nicht immer die richtigen Worte fnden, kann einfach sein Herz ausschütten, sich anvertrauen. Auch der Gründer von Taizé, Frére Roger beschreibt „ein immer wieder erneutes Anlauf nehmen im Vertrauen auf Gott, der ohne sich je aufzudrängen uns still begleitet“. Er schrieb auch dieses Gebet, welches ich gerne mit euch teilen möchte, da es mich sehr berührt:


„Jesus Christus, du warst immer in mir, und ich wusste es nicht.
Du warst da und ich suchte dich nicht.
Als ich dich entdeckt hatte, brannte ich darauf, dass du mein ein und alles bist.
Ein Feuer durchglühte mich.
Wie oft aber vergaß ich dich wieder.
Und du hast nicht aufgehört mich zu lieben.“


Durch wöchentliche sharings, bible studies und contact meetings bekommen wir außerdem die Möglichkeit Fragen zu stellen und unseren Horizont zu erweitern. Diese Möglichkeiten und der direkte Kontakt zu unseren begleitenden Schwestern und Brüdern ermöglichen Sicherheit, Entfaltung und Wachstum im Glauben sowie auch in der Persönlichkeit.

Ein weiterer großer Teil unseres Lebens als Freiwillige in Taizé ist das gemeinschaftliche Zusammenleben. Momentan lebe ich mit sechzehn anderen Mädchen zusammen, was sehr bereichernd und umfangreich ist.
Dadurch dass wir alles miteinander teilen, drei mal am Tag gemeinsam mit einer Schwester essen und konstant den gleichen Lebensrhythmus leben, dabei aber trotzdem Situationen und Zustände verschieden wahrnehmen, lernen wir uns auf einer ganz anderen und sehr intensiven Ebene kennen. Das immer wieder Zusammenkommen, Einfnden zu den gemeinsamen Gebeten, Erzählen von Tagesetappen, gemeinsame Tanzen, Lachen, Musikmachen (stark unterstützt von in den Wintermonaten erlernter Gitarren- und Ukulelebegleitung), gemeinsame Singen der Taizélieder bei der Arbeit und eigentlich zu jeder Zeit, sowie das kuschelige Zusammensitzen und Teetrinken, Gedankenteilen zu philosophischen Lebensfragen und auch Glaubensfragen, Zukunftspläne schmieden, genießen von Spaziergängen und Freizeitabenteuern, das sich gegenseitige Motivieren, von - und miteinander Sprachen lernen und kulturelle Schätze austauschen - das Alles und noch viel mehr ist hier gerade Teil unserer Leben. Auch das gegenseitige Unterstützen in schwereren Zeiten, sich umeinander Kümmern, einander Anvertrauen, Zuhören, Versuchen für Situationen gemeinsam Lösungen zu fnden gehört dazu. Gerade da wir aus verschiedenen Ländern Europas, aus unterschiedlichen Kulturen und Milieus kommen sowie uns in unterschiedlichen Lebensabschnitten befnden, ist der Austausch über verschiedenste Themen unglaublich wertvoll und wir können viel mit- und voneinander lernen.

Gelernt habe ich für mich vor allem, wie kostbar, einzigartig und erfüllt von Gedanken, Ansichtsweisen, Talenten, Fähigkeiten, Überraschungen und Erlebnissen jeder einzelne Mensch ist. Wie wertvoll der gemeinsame Austausch ist, wenn man versucht einander zuzuhören und zu verstehen, nicht vorschnell zu urteilen sondern sich als wertvollen Nächsten wertschätzt und wahrnimmt und so nicht auf Unterschiede sondern Gemeinsamkeiten blickt. Doch auch das ,,für Sich sein“ fndet hier Raum, wir haben immer die Möglichkeit des Rückzugs, wodurch man mit sich selbst konfrontiert wird und über sich lernen kann.

Unter uns Freiwilligen und Besuchern wird als gemeinsame Sprache Englisch gesprochen und auch bei Kommunikationsproblemen merke ich immer wieder dass es noch eine andere Sprache gibt die wir alle gemeinsam haben: die Sprache der Begeisterung, des Lachens, der Freude sich kennenzulernen, Gedanken zu teilen, sich auszutauschen, das aufrichtige Interesse am Anderen. Ich denke das die Corona Pandemie uns dafür sensibilisiert wie kostbar menschliche Beziehungen sind, die wir sonst für selbstverständlicher hingenommen haben und uns durch die direkte Konfrontation mit unserer Situation vor große Fragen in unserem Leben stellt.

Was macht mich glücklich? Was brauche ich?
Welche Rolle spielt Gott in meinem Leben? Was bedeutet Christ sein für mich?
Wie möchte ich mit meiner Lebenszeit umgehen, wie mit Menschen? Was ist für mich der Sinn des Lebens?

Die Brüder der Communauté de Taizé leben ausschließlich vom Ertrag ihrer Arbeit. Sie nehmen keine Spenden an und selbst persönliche Erbschaften geben sie an Andere ab. In diesen Zeiten der weltweiten Pandemie führt das nun zu einer sich erweiternden Kreativität der Brüder, die nicht nur schon lange Töpfern und künstlerisch aktiv sind, sondern jetzt auch (bestellbare) Kekse herstellen. Mit der „Operation Hoffnung“ unterstützt die Communauté de Taizé auf den verschiedenen Kontinenten Menschen in Schwierigkeiten, unter anderem bedürftige und kranke Kinder. So halfen sie in den vergangenen Jahren zum Beispiel Flüchtlinge in Ungarn und Jordanien, den Erdbebenopfern in Nepal oder sendeten humanitäre Hilfe nach Nordkorea. Auch jetzt leben immer noch Taizébrüder auf der ganzen Welt, um auch in dieser Zeit beizustehen, zu ermutigen und zu
helfen. Mir machen die zahlreichen Institutionen Hoffnung, durch welche Menschen einander helfen, unterstützen und Halt geben. So ist auch Taizé eine Hoffnungsquelle für mich.

Trotz des harten Corona-Lockdown, mit momentan noch immer anhaltender Ausgangssperre ab 18 Uhr, ist Taizé weiterhin Anlaufstelle, Ruhepunkt, Gebet, Gemeinschaft und Möglichkeit für Begegnung. Obwohl Taizé jetzt eine etwas andere Erfahrung ist, sich durch meinen bisherigen Aufenthalt ständig verändert hat und sich immer wieder neu anpassen musste (Gebetszeiten, Öfnungszeiten, Anpassungen an verschiedenste Corona
Regelungen) ist dieser Ort sich immer treu geblieben.

Wir freuen uns um jeden Einzelnen den wir hier in Taizé aufnehmen können. Die Tatsache, dass Taizé weiter besteht und so vielen Freiwilligen aus der ganzen Welt auch durch den Lockdown ein Zuhause gegeben hat, spiegelt für mich tiefste Menschlichkeit wieder. Es zeigt, dass es auch in aussichts- und möglichkeitslos erscheinenden Situationen immer einen Weg gibt sich sozial zu engagieren, aktiv mitzuhelfen.

- Miriam

Altarbereich der Kirche in der Adventszeit
Hier bei uns in Taizé...
... mitleben, mitarbeiten, mitbeten