MaZ: Verflochtene Wege – Gemeinsam Wachsen

Dass die Sprache oft der Schlüssel zu den Menschen ist, erfährt Corinna in den verschiedenen Projekten, in denen sie in Madrid mitarbeitet. Dabei ist sie gleichzeitig Lehrende und Lernende. Dieses gemeinsame Wachsen gefällt ihr sehr.

Unterwegs in Madrid mit Bekannten der Steyler Brüder. Hier stehen Corinna (2.v.r.) und Klara vor dem Palacio Cibeles

Seit fast acht Monaten bin ich nun in Madrid unterwegs – lebe hier, arbeite hier – und immer öfter denke ich: Ich bin wirklich angekommen. Durch die vielen verschiedenen Einsatzstellen bin ich viel in der Stadt unterwegs – in der Metro, beim Spazieren durch die Barrios oder auf Wanderungen in der nahen Sierra passiert es immer häufiger, dass mir bekannte Gesichter begegnen: Menschen aus den Caritas-Projekten – Klient*innen, Kolleg*innen, Mitfreiwillige. Ein kurzes Lächeln, ein kleiner Plausch – und plötzlich fühlt sich diese riesige Stadt doch ganz vertraut an. Auch bei projektübergreifenden Aktionen bin ich mittlerweile nicht mehr „die Neue“. Es ist ein schönes Gefühl, zu merken, wie nach und nach ein eigenes Netzwerk entsteht.

Mit meinen Aufgaben in den Projekten fühle ich mich inzwischen deutlich sicherer, und ich kann mit mehr Gelassenheit in die Einsätze gehen. Darauf vertrauend, dass sich je nach Situation, die ich vorfinde, mit den Menschen in Kontakt treten werde und eine Ergänzung zu den Sozialarbeiter*innen sein kann. So bin ich beispielsweise besonders in der Wohnungslosenunterkunft CEDIA weiterhin aktiv. In letzter Zeit stand regelmäßig das Thema Sprachen im Fokus. Neben eher scherzhaften Versuchen in Deutsch, habe ich regelmäßiger bunte Englisch-Konversationsrunden initiiert– mal zu zweit, mal mit zehn Leuten. Es wird viel gelacht, und ganz nebenbei lernen wir alle voneinander. Die meisten Teilnehmenden sind aus Lateinamerika, aber auch Migrantinnen aus dem Maghreb sind dabei. Letztere unterstütze ich gelegentlich beim Spanischlernen und kann durch meine eigenen Erfahrungen und Strategien beim Sprachenlernen unterstützen. Besonders spannend: Viele sprechen Französisch – und weil Arabisch für viele aber die bevorzugte Sprache ist, habe ich mich (nach langem Zögern) endlich getraut, selbst etwas Arabisch zu lernen. Und siehe da: Mit motivierten Lehrer*innen klappt das sogar ziemlich gut! Sprache wird hier zu einem gemeinsamen Projekt und es geht ganz und gar nicht um fließende Sprachkenntnisse, sondern die Anerkennung der Vielfalt an Kulturen im Miteinander.

Aber nicht nur im Tageszentrum, sondern auch auf kleinen und größeren Ausflügen wie zuletzt in die Sierra von Madrid, wo eine Art Schnitzeljagd für knapp 140 Teilnehmende aus verschiedenen Projekten vorbereitet war, konnte man einfach „Mensch“ sein, die Ruhe und reine Luft genießen und gemeinsam versuchen, die vom Dauerregen der letzten Monate durchtränkten Böden möglichst sauber zu durchqueren.

Im Frauenprojekt Atención a la Mujer der Steyler Missionsschwestern bin ich ebenfalls weiterhin regelmäßig im Einsatz. Auch hier geht’s oft ums „Gemeinsam machen“ – Ängste vor dem Computer abbauen, Hilfe beim Ausfüllen von Online-Anträgen oder beim Schreiben eines Lebenslaufs. Ich merke, wie wichtig es ist, Dinge zusammen anzugehen – das stärkt das Selbstvertrauen, Schritt für Schritt. Manchmal sind es schlicht die kleinen, einfachen Tätigkeiten, die eine große Wirkung haben. Ich stelle für mich als Freiwillige auch oft fest, dass Tätigkeiten wie „Ordnung in den Schrank mit den Bastelmaterialien bringen“ am besten ebenfalls gemeinsam gelingen. Auch wenn es vielleicht länger dauert, wenn mehrere Leute herumsortieren, so kommen wir doch in Austausch und die Frauen fühlen sich gesehen. Wenn es die Möglichkeit gibt, packe ich auch gerne einfach eines der Puzzle aus und fange an zu puzzeln. Nach und nach gesellen sich Frauen dazu und auch wenn zu Beginn noch etwas Überforderung mit den Puzzleteilen herrscht, ist förmlich zu sehen, wie sie ein Gespür für das System entsteht und kleine Erfolgserlebnisse ein Lächeln hervorbringen.

In den letzten zwei Monaten konnte ich in einem weiteren Projekt spannende Erfahrungen sammeln. Hier begleite ich – gemeinsam mit einem kleinen Team – sechs Geflüchtete aus Subsahara-Afrika, die über einen humanitären Korridor nach Madrid gekommen sind und nun eine WG teilen. Gemeinsam mit anderen Freiwilligen helfe ich beim Ankommen: Wie funktioniert der Nahverkehr? Wo sind die Behörden? Welche Sprachkurse oder Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es? Viele dieser Situationen erinnern mich an meine eigene Ankunft hier – auch wenn unsere Gründe, in Madrid zu leben, unterschiedlich sind. Die Herausforderungen im Alltag ähneln sich oft mehr, als man denkt. Die Zeit direkt nach ihrer Ankunft in Madrid war durch den Ramadan ganz besonders. Da ging es nicht nur um Organisatorisches, sondern auch um Alltagsrituale – gemeinsam kochen, einkaufen, das Fastenbrechen teilen. Das hat schnell Vertrauen geschaffen. Für die nächsten Wochen planen wir kleine Ausflüge – kulturelle Aktivitäten oder Wanderungen in die Sierra. (Übrigens: Dass man bis Ende April noch Schnee von der Stadt aus sehen konnte, hat mich echt überrascht!)

Die MaZ-Säule Mitbeten ist im Alltag nicht immer leicht umzusetzen – wir wohnen nicht direkt bei der Kommunität und verpassen daher oft die Gebetszeiten. Aber besonders während der intensiven Osterzeit war das anders: Ich war öfter im Schwesternprojekt, habe dort auch mal übernachtet – und konnte so wieder mehr in die Gebetszeiten eintauchen. Die stille Zeit und das gemeinsame Bibelteilen bilden wichtige Kraftquellen für mich. Inzwischen nutze ich auch meine Fahrten mit Metro & Co. zur inneren Reflexion. Anfangs war ich viel zu sehr damit beschäftigt, mich nicht zu verfahren – aber jetzt habe ich meine Routen gut im Griff und nutze die Zeit bewusst. Am Sonntag ist der Gottesdienst mit dem Chor aus dem Schwesternprojekt mein persönlicher Wochenabschluss – ein schöner Fixpunkt. Ich feiere nicht nur mit, sondern darf auch mit der Querflöte mitwirken. Diese Verbindung aus Musik, Spiritualität und Gemeinschaft tut richtig gut und gibt mir Halt und Gelassenheit im Alltag, denn ich weiß: Es wird sicher einiges Unerwartetes passieren. Und nein, ich kann es nicht allen recht machen. Muss ich auch nicht.

Was bleibt, ist ein tiefes Gefühl von Verbundenheit: Madrid zeigt sich mir als ein Ort, in dem sich zwischen Projekten, Kulturen und Sprachen echte Beziehungen bilden – weit über das Alltägliche hinaus. Ich bin dankbar, noch knapp drei Monate in dieser Rolle mitleben und mitlernen zu dürfen.

Corinna

Mit dem Chor bei der Palmsonntagsmesse