MaZ: Wann wird ein Ort zum Zuhause?

Seit neun Monaten ist Luisa in den USA. Hinter ihr liegt fast ein Jahr, geprägt von vielen neuen Erfahrungen, Beziehungen und Lernmomenten. „Der lange Winter in Chicago ist überstanden, es ist endlich warm und sonnig und so würde ich auch mein Leben aktuell beschreiben – sommerlich.“

Luisa mit ihrer Familie während des Urlaubs

Vor Kurzem konnte ich mir eine Sache erfüllen, auf die ich mich schon sehr lange gefreut hatte, nämlich ein Roadtrip entlang der Westküste der USA mit meiner Tante und ihrem Freund. Es war ein ganz anderes Gefühl, die USA mal aus einem komplett touristischen Blickwinkel zu betrachten, doch es war eine super schöne Reise. Die USA haben extrem viel zu bieten, ob Städte, Wüsten oder Berge, was wir zum Glück dank unseres Autos auch super gut erreichen konnten. Eines meines Highlights waren die Nationalparks, die alle ein bisschen verschieden sind, aber immer eine überwältigende Natur bieten und wir dort prima wandern konnten. Während wir z.B. im Zion National Park auf den „Angels Landing“ hochgeklettert sind, von dem man eine wunderbare Aussicht auf den ganzen Nationalpark hat, sind wir im Yosemite National Park beim Wandern des „Mist Trails“ bis auf die Knochen durchnässt oben angekommen. Ganz nach dem deutschen „Wir sind doch nicht aus Zucker!“ haben wir uns vorher noch über die anderen Wanderer in Ganzkörper-Regencapes lustig gemacht… was uns dann aber schnell vergangen ist, als wir mitten im Sprühnebel des Wasserfalls standen. Bei dem warmen Wetter sind wir am Ende schnell getrocknet und hatten doch noch einen guten Abstieg.

So traurig ich war, als der Urlaub vorbei und meine Familie wieder abgereist war, so schön war es dann auch, wieder in Chicago anzukommen. Als ich am Samstagmorgen direkt nach meiner Ankunft die Gitarrenklasse übernommen habe, war ich richtig froh, die Kids wiederzusehen. Abends beim Spazieren im Park mit einer Schwester haben wir dann noch einige andere Schülerinnen und ihre Kinder getroffen, die mich auch alle ganz lieb wieder willkommen geheißen haben.

Auch nach dem üblichen Plausch nach der Sonntagsmesse in der Gemeinde gab es ein herzliches „Willkommen zurück!“ von vielen Seiten. In der Gemeinde, bzw. vor allem in meiner Jugendgruppe, hatte ich lange das Gefühl, dass ich irgendwie immer noch ein bisschen „die Neue aus Deutschland“ bin. Doch je mehr Zeit verging, desto mehr bin ich reingerutscht, einfach dadurch, dass ich drangeblieben bin und bei allem mitgemacht habe, was möglich war. Und mittlerweile fühle ich mich dort echt integriert und darf mich sogar als „Teen Leader“ engagieren. Auch in der Gemeinde habe ich einen echten Platz gefunden und kann mich als Lektorin und beim Einsammeln der Kollekte an den Gottesdiensten beteiligen.

Vor der Reise habe ich mich oft gefragt, wann man eigentlich weiß, dass ein Ort zum Zuhause geworden ist. Als ich dann aber an der Westküste war, habe ich ganz automatisch von Chicago als Zuhause gesprochen, und wie herzlich ich beim Wiederkommen begrüßt wurde, hat das für mich bestätigt. Vielleicht kann man nicht nur sagen: „Home is where the heart is“, sondern auch „Home is, where the people you love are, and where you are loved by the people”.

Das bezieht sich nicht nur auf die Kommunität, in der ich lebe, sondern vor allem auch auf meine Arbeitsstelle, den „Holy Spirit Life Learning Center“. Dort hat sich seit dem Winter einiges an meiner Beziehung zu unseren Schüler*innen verändert.

Je länger ich dort war, desto wohler habe ich mich gefühlt, und desto mehr haben sich auch Machtverhältnisse, die mir erst komisch vorkamen, aufgelöst. Da die Leute hier in der Regel untereinander Spanisch sprechen, habe ich auch erst wenig davon verstanden. Nun kann ich jedoch mehr Spanisch verstehen und auch sprechen, sodass ich mich an den Unterhaltungen beteiligen kann und dadurch auch alle viel persönlicher kennenlernen konnte. Das Center hat eine tolle Community, und mittlerweile fühle ich mich hier wie in einer großen Familie.

Zu dieser gehören ein paar ältere Frauen in den Englisch- und Strickklassen, die mir ihre Lebensweisheiten mit auf den Weg geben (inkl. was für einen Mann ich heiraten sollte und was für einen nicht ;)) die Kids aus der Homework Help und der Gitarrenklasse, die mir echt ans Herz gewachsen sind, die Frauen in der Dance Class, die ich selbst unterrichte und viele mehr.

Ich bin sehr glücklich mit meiner Arbeit im Center, nicht nur, da mir die Leute mittlerweile sehr ans Herz gewachsen sind, sondern auch, weil sie total vielfältig ist. Seit eine Schwester versetzt wurde, bin ich die sog. Program Coordinator, was bedeutet, dass ich auch einiges mitplanen darf und auch einiges mehr an Computerarbeit habe. Im Wechsel mit der Arbeit zusammen mit den Menschen gefällt mir das aber auch sehr gut. Besonders froh macht mich, dass die Leiterin des Centers, Sr. Rosa, uns, mich und Sr. Rebecca, in alle Entscheidungen gleichberechtigt einbezieht. Es ist mir super viel wert, am Arbeitsplatz nicht nur „die Freiwillige“ zu sein, sondern selbst mitbestimmen zu können.

Auch das Leben in der Kommunität hat sich als eine sehr interessante Lebensweise herausgestellt, die wohl kaum jemand so nah kennenlernen durfte wie wir im letzten Jahr. Dabei beeindruckt mich vor allem die Hilfsbereitschaft der Schwestern untereinander. Fast wie in einer Familie sind sie immer füreinander da, wenn es Not tut, und auch ich durfte diese Hilfsbereitschaft schon erfahren. Und das, obwohl die Dienste, die alle Kommunitätsmitglieder verrichten, manchmal mehr als anstrengend sind. An manchen Tagen bin ich wirklich komplett am Ende mit meiner Energie, doch das sind dann in der Regel auch die Tage, an denen ich stolz darauf zurückschauen kann, was wir alles geschafft haben.

Das heißt jedoch bei Weitem nicht, dass alles perfekt ist. Auch in einer internationalen Schwesternkommunität kommen tagtäglich Konflikte auf, die es zu lösen gilt. Oder manchmal kann man sie auch gar nicht lösen, sondern muss irgendwie lernen, respektvoll und wertschätzend miteinander zu leben, auch wenn man vielleicht gravierende Meinungsunterschiede zu beispielsweise politischen Themen hat.

Trotzdem gibt es immer wieder schöne Momente miteinander, wie wenn wir uns alle abends noch spontan zum Eisessen in der Küche versammeln, oder Zeit mit den älteren Schwestern im Provinzhaus verbringen, die ich auch in der ganzen Zeit sehr liebgewonnen habe.

Während also ein Großteil des Jahres schon um ist, steht eine Sache, auf die ich mich schon seit einem Jahr freue, auch noch bevor: Im Sommer bieten wir das Summer Peace Camp an, ein vierwöchiges Sommercamp für Kinder mit ganz vielen verschiedenen Aktivitäten wie malen, basteln, musizieren und Ausflüge machen. Und danach geht es für mich auch schon fast zurück nach Deutschland… wie schnell doch ein Jahr vergeht. Doch auch, wenn ich ein bisschen Angst vor dem Abschied habe, blicke ich schon mit viel Vorfreude auf die kommenden zwei Monate, und dann auch auf den nächsten Neustart zurück in Deutschland.

Und damit ganz liebe Grüße und „take care!“ aus den USA,

eure Luisa

Im Provinzhaus der Schwestern