Steyler Märyterinnen - Nur noch Geschichte?

Jedes Jahr am Fest Kreuzerhöhung (14. September) machen sich die Katholiken des Bistums Madang in Papua-Neuguinea (PNG) auf den für sie oft weiten Fußweg zur Pilgerstätte „Maria Helpim“. Dort gedenken sie der MissionarInnen, die im Zweiten Weltkrieg umkamen. Was macht die Strahlkraft dieser doch eigentlichen Tragödie aus, die der blühenden PNG-Mission ein Ende setzte, so viele MissionarInnen das Leben kostete, und 95 Prozent der Infrastruktur der Mission zerstörte?

„Mariahilf“ tauften die Steyler Missionsschwestern und Missionare das improvisierte Dschungelcamp, wohin sie das Japanische Militär während des Zweiten Weltkrieges als Kriegsgefangene verschleppte. Es befand sich im Urwald, ein paar Kilometer von der Haupt-Missionsstation in Alexishafen entfernt. Ein paar Monate würden sie dort bleiben, versteckt vor den Amerikanern, bevor die Japaner sie dann weiter über das Meer Richtung Westen transportierten – und hinein in den Tod durch einen amerikanische Bombenangriff.

Bei Kriegsausbruch hatten die Australier den MissionarInnen angeboten, sie in Sicherheit zu bringen, aber, wie Sr. Siglinde Poboss in ihren Erinnerungen schreibt: „Niemand von uns wollte gehen. Gerade jetzt in der Not wollten wir unsere Eingeborenen nicht allein lassen. Sie haben ja noch keine eigenen Priester, sind noch gar nicht fest im Glauben und in guten Sitten, kurz, sie bedürfen der Führung und des Schutzes so sehr. Es kam uns geradezu feige und dumm vor, unsere Leute im Stich zu lassen.“ Sie hatten aber nicht damit gerechnet, verschleppt zu werden.

Das Leben im Dschungelcamp war hart und ungewohnt für die MissionarInnen. Sr. Siglinde: „Ich muss gestehen, ich war sprachlos vor Staunen. Solch einen schmutzigen Platz hatte ich bei den Eingebornen noch kaum gesehen... Der Hof war mit Hölzern belegt, damit man nicht ganz und gar im Schmutz stecken blieb. Die Schwestern, auch Patres und Brüder, hatten oft Fieber, wohl infolge der vielen Moskitos. Auch die feuchte Luft hat vielen geschadet.“ Dann begannen die Bombardierungen. Die Missionsstation Alexishafen wurde zerstört. Die MissionarInnen im Busch standen Todesängste aus: „Es war ein Höllenlärm, so ein Gewitter macht noch nicht mal der liebe Gott. Ich habe oft bedauert, dass er den Menschen so viel Verstand gegeben hat, denn sie nützen ihn schlecht aus.“

Als die Amerikaner vorrückten, befahlen die Japaner den Abmarsch aus Mariahilf. Ein weiter Weg wurde zu Fuß zurückgelegt. „Als wir in das erste Dörfchen kamen, war ich so erschöpft, dass ich mich ein bisschen ausruhen musste. Aus einen Haus guckte eine Frau mit zwei nackten Kindern heraus. Ich fragte, ob sie mir etwas Wasser geben könnten. Sie hatten keins, aber das größere Mädchen holte mir eine sehr schöne Melone. Da ich sonst nichts bei mir hatte, zog ich meinen Unterrock aus und gab ihn der Frau für die Kinder. Die Melone zerschnitt ich in drei Teile, ein Stück bekam Sr. Bernereda, das zweite der Soldat, der hinter mir ging, und das dritte behielt ich selbst.“

Als Gefangene bekamen die Schwestern nur Hungerrationen, wurden meistens höflich, aber doch bestimmt zu Arbeiten gezwungen. Und trotzdem: „Ich habe mich in der ganzen Zeit bemüht und mein Bestes getan, dass die Japaner einen guten Eindruck von der katholischen Mission bekamen. Sie sind ja Heiden, die meisten hatten noch nie Ordensleute gesehen. So waren viele Schwestern eingestellt. Es tat uns immer sehr weh, wenn wir sahen, dass andere so gar keine Feindesliebe übten.“

Nach einem Verbleib auf der Vulkaninsel Manam ging die Flucht weiter auf dem japanischen Schiff Yorishime Maru entlang der Nordküste. Die Amerikaner hielten es für ein Kriegsschiff und wussten nichts von den Kriegsgefangenen darauf. Sie bebombten es. Von den etwa 250 Passagieren an Bord starben vor allem die Gefangenen, denn sie waren auf dem Deck untergebracht. Sr. Siglinde überlebte den Angriff. „Mir war es, als hörte ich etwas im Traum. Ich schaute um mich und sah so furchtbar Grausiges, dass ich kein Wort sprechen konnte. Sr. Oberin Milita und Sr. Matrita lagen beide ohne Kopf da. Sr. Oberin hielt den Rosenkranz in der linken Hand, die zerbrochene Gehirnschale lag daneben mit einem Häufchen Gehirn. Bei Sr. Dionora war das halbe Gesicht weggerissen...“

27 Schwestern fanden den Tod. Die Überlebenden mussten weitere Dschungelmärsche überstehen, und so starben weitere zehn infolge ihrer Verletzungen oder durch Erschöpfung und Hunger. Endlich gaben die Japaner auf, ließen ihre Gefangenen im Dschungel zurück und flohen. Amerikanische Soldaten retteten die 26 überlebenden Schwestern aus ihrer 14-monatigen Gefangenschaft.

„So lange Monate hatte sich niemand darum gekümmert, wie es einem ging, jeder hatte mit seiner eigenen Not zu tun, und jetzt fragten fremde Soldaten so teilnehmend: „How do you feel, Sister?” An unserem stottrigen English mussten die Amerikaner doch hören, dass wir Deutsche waren, also ihre politischen Feinde, aber wir fühlten uns in ihren Händen so sicher, wie bei den treuesten Freunden.“ Die Schwestern wurden nach Australien evakuiert, was der Anfang der Australischen Provinz der Steyler Missionsschwestern werden sollte.

Die Geschichte ist traurig, wie es jede Kriegsgeschichte ist. Aber nicht darum erinnert man sich an sie, sondern weil sie eine Geschichte vom Menschsein ist: von der Liebe zu Feinden, weil sie eben Mitmenschen sind; von der Treue zu dem, dem man sich verschrieben hat; vom Tod, der zum Anfang von etwas Neuem werden kann.

Sr. Anna Damas