Schwester Anna-Maria und Herr Rommel, wie ist die Idee entstanden, aus dem Dreifaltigkeitskloster ein „ganzheitliches Ensemble aus Pflege und Wohnen“ zu machen?
Sr. Anna-Maria: Die Idee kam aufgrund einer provinzinternen Bestandsaufnahme, die in einem Umstrukturierungsprozess mündete. 2016 haben wir die 16 Kommunitäten in der Deutschen Provinz angeschaut und manche geschlossen. Die Frage war, was wir mit den großen Häusern tun. Wir Schwestern werden weniger und die Häuser sowie die finanzielle Belastung werden zu groß. Zudem finden sich keine Schwestern mehr, die solche Häuser leiten möchten. So ist die Idee entstanden, die wir seit 2016 transparent mit den Schwestern und der Generalleitung in Rom durchdenken. Alle sind sich einig, dass wir uns verändern müssen und so haben wir uns auf die Suche nach einem Projektpartner gemacht und verschiedene Altenheimträger angeschrieben.
Rommel: Ich habe in der Zeitung von dem Vorhaben der Schwestern gelesen und habe mich direkt angesprochen gefühlt. Als christlich motivierter Caritasverein im Nachbarort Vöhringen fühlen wir uns Laupheim sehr verbunden und wollten uns gerne hier präsentieren.
Sr. Anna-Maria: Es war bald klar, dass wir das Kloster, so wie es war, nicht erhalten konnten. In diesem Haus hätten wir kein Altenheim betreiben können. Aber es war uns wichtig, unseren Standort so zu nutzen, dass alle Schwestern hierbleiben können. Und dass die Kapelle als Herzstück und Seele des Klosters erhalten bleibt.
War die Idee für das neue Konzept von Anfang an vorhanden oder war es ein Prozess, miteinander zu entwickeln, wohin der Weg führen kann?
Sr. Anna-Maria: Unsere Grundlage war der Slogan „Altwerden im Kloster“. Doch wie ließ sich das verwirklichen? Wie sieht klösterliches Leben in einem Alten- und Pflegeheim aus? Was ist mit den Gebetsräumen oder dem Zugang zur Kapelle? Das war ein Prozess über Jahre. Wir haben Dinge geplant und verworfen. Es ging auch darum, wann der Betrieb auf illerSenio übergeht, denn es war uns wichtig, unsere 22 Mitarbeitenden aus dem Kloster in den Prozess gut einzubinden. Zudem sind 30 Schwestern aus unserer Kommunität im Sauerland zu uns gezogen. Inzwischen leben wir hier mit 76 Schwestern: Acht von uns, die um die 60 Jahre alt sind, haben Apartments bezogen, 38 Schwestern leben in der Pflegeabteilung und 30 im Betreuten Wohnen.
Rommel: Unser Grundkonzept war klar und ich wusste, was ich architektonisch will. Im Laufe der Zeit haben wir dann weitere Ideen gestaltet. Oft sind wir zwei Schritte vor- und wieder einen zurückgegangen – um ein qualitativ hochwertiges Ergebnis zu erreichen. Wir haben das Haus mit den Schwestern geplant, wir haben es gebaut und betreiben es. Seit August dürfen hier auch Externe mit Unterstützungsbedarf einziehen. 90 Pflegeplätze bieten wir an, 20 stehen noch zur Verfügung. In Zukunft werden sich die Menschen hier mehr durchmischen. Auch Priester oder Frauen und Männer aus anderen Orden sind willkommen. Wichtig für unsere Idee, Weltliches mit Geistlichem zu verbinden, ist, dass immer Ordensfrauen vor Ort sind.
Nicht alle Entscheidungen auf Ihrem mutigen Weg waren einfach. Wie haben Ihre Mitschwestern den Prozess begleitet?
Sr. Anna-Maria: Sehr gut. Wir hatten unzählige Sitzungen – und natürlich ist es uns schwergefallen, das Kloster, den Kräutergarten, die Kräuterbeete oder unsere Gartenanlage aufzugeben. Aber es war allen klar, dass wir uns verändern müssen. Jetzt haben wir weniger Belastung und Verantwortung und können uns um das Eigentliche kümmern. Dennoch ist auf die Schwestern viel zugekommen: Einigen ist es schwergefallen, ihre Unabhängigkeit aufzugeben und sich an die monatelange Präsenz der Handwerker zu gewöhnen.
Rommel: Vielleicht lässt sich ein solches Projekt nur mit Missionsschwestern und ihrer großen Geduld umsetzen. Aber: Jetzt wird es besser!
Sr. Anna-Maria: Wir sind zuletzt schon auf dem Zahnfleisch gegangen. Für sechs Wochen haben wir im alten Gebäude noch 30 Zimmer für unsere Mitschwestern aus dem Sauerland eingerichtet. In fünf Tagen haben wir das Haus dann ausgeräumt, den Umzug gestemmt und uns liturgisch verabschiedet. Gerade in dieser Zeit haben wir die Kraft unserer Gemeinschaft gespürt.
Was war Ihnen für Ihr neues Haus wichtig?
Sr. Anna-Maria: Unsere Kapelle sollte im Zentrum und gut erreichbar sein. Und die Bebauung im Garten war uns wichtig. Damit das Transzendente unseres Klosters erhalten bleibt.
Rommel: Wir bauen seit Jahren modern und mit viel Helligkeit, so sollte es auch hier sein. Lichtdurchflutete Räume, gemütliche Zimmer, gute und nachhaltige Materialien, viel Holz – das haben wir umgesetzt.
Sr. Anna-Maria: Wir wollten illerSenio nicht reinreden, aber auch wir haben großen Wert auf gute und nachhaltige Materialien gelegt. Für uns drücken sie eine Wertschätzung älterer Menschen aus, die uns am Herzen liegt, und sorgen zugleich dafür, dass sich auch jüngere Schwestern wohlfühlen.
Rommel: Viele Besuche in Pflegeheimen lassen zu wünschen übrig. Der Geruch und die Atmosphäre sind nicht immer einladend. Hier soll es anders sein: Wir wollen einen lebendigen und attraktiven Ort schaffen.
Schwester Anna-Maria, für Sie war es wichtig, die Menschen in Laupheim in die Veränderungen des Klosters miteinzubeziehen …
Sr. Anna-Maria: Ja. Die erste Reaktion darauf gab es im Bauausschuss des Gemeinderates, der einhellig betont hat: Gottseidank nehmt ihr das in Angriff. Das fanden wir sehr ermutigend und haben fortan große Unterstützung von kommunaler Seite erhalten. Viele Menschen in Laupheim sind froh, dass die Schwestern bleiben – wir bekommen viele positive Rückmeldungen. Als wir den ersten Bauabschnitt unseres Leuchtturmprojekts kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt haben, waren mehr als 2000 Menschen hier.
In den nächsten Bauabschnitten entstehen Räume für eine moderne Gastronomie, ein Tagungs- und Bildungszentrum sowie für ein Apartment-Gebäude mit Betreutem Wohnen, Tagespflege und Sozialstation. Wie wird dieses Großprojekt finanziert?
Rommel: Das Gesamtvolumen für die verschiedenen Bauteile beträgt rund 40 Millionen Euro. Die Schwestern haben ihre Grundstücke und ihren Bestand zum Teil an uns und zum Teil an einen Bauunternehmer verkauft. Jetzt mieten sie die Räumlichkeiten, die sie nutzen, von uns. Wir fungieren als Betreiber, Eigentümer und Komplettanbieter. Alle unsere Mitarbeiter gehören zum Pflegekonzept und wurden von uns mit ins Haus gebracht.
Sr. Anna-Maria: Die Schwestern haben vorgesorgt. Sie alle haben ein einfaches Leben geführt und unendlich viel gearbeitet. Sie haben Geld für unsere internationale Gemeinschaft erwirtschaftet und dabei immer die Welt im Blick gehabt.
2026 soll alles abgeschlossen sein. Was soll den Ort auszeichnen, den Sie den Menschen hier anbieten?
Sr. Anna-Maria: Wir wollen als klösterliche Gemeinschaft vor Ort sein und christlich in die Gesellschaft hineinwirken. Wir bieten den Menschen ein offenes und generationenübergreifendes Angebot.
Rommel: Ich freue mich auf unseren Seminar- und Exerzitienbetrieb und hoffe, dass er eine Strahlkraft über die Region hinaus entwickelt. Mit den Seminaren möchten wir auch Menschen aus der Pflege erreichen. Das wird toll!
Interview: Diana Müller
Dieses Interview dürfen wir hier mit der freundlichen Genehmigung des Katholischen Sonntagsblatts veröffentlichen. Hier geht’s zur Homepage der Bistumszeitung.