"Bartimäus, der vorbildhafte Jünger"

Einkehrtag in Steyl am 21.03.2023

Was für eine Geschichte, spannend und voller Dynamik! Allerdings auch sehr bekannt.

Schauen uns wir die Erzählung einmal genauer an:

Jesu zieht mit seinen Jüngern und viel Volk aus der Stadt Jericho. Am Wegrand sitzt ein blinder Bettler, Bartimäus. Blind, Bettler, draußen, am Rand: 4-faches Elend!  Bartimäus wird er genannt. Das ist eigentlich gar kein Name. "Bartimäus" heißt wörtlich: Sohn des Timäus. Bartimäus – dieser Mann am Straßenrand ist so unbedeutend, dass er nicht einmal einen echten Namen hat.

Muss solch ein Mensch nicht das Gefühl haben, unwert zu sein, unnütz im wahrsten Sinn des Wortes ein gesellschaftlicher Außenseiter, weithin unbeachtet, ungeborgen und schutzlos. Und doch steht er heute im Mittelpunkt unserer Geschichte.

Bartimäus: eine Jammergestalt, ein Bild der Erniedrigung, leibhaftige Hoffnungslosigkeit – bis er Jesus begegnet.

Wie er hört, dass Jesus vorbeikommt, sieht er die Chance seines Lebens und ergreift sie energisch. Er beginnt aus Leibeskräften zu rufen. (…)

Das erste Wunder der Heilung war, da wo Bartimäus sich nicht den Mund verbieten lässt, da nämlich, wo er zu sich selber steht, wo er sich nicht mehr einschüchtern lässt, sondern sich gegen allen Widerstand behauptet und mit aller Kraft, laut und ausdauernd zu Jesus um Erbarmen ruft. (…)

Nun stellt Jesus an Bartimäus eine Frage, die sehr merkwürdig ist: "Was soll ich dir tun?" Wörtlich: "Was willst du, dass ich dir tue?" – Warum fragt Jesus den Blinden, was er ihm tun soll? Er sieht doch, was dem Mann fehlt. Solche Fragen könnte Jesus auch an uns stellen. Was willst du, dass ich dir tue? Wir tragen so viele Bitten in unserem Herzen, was würden wir ihm antworten? (…)

"Rabbuni, ich möchte wieder sehen können"
Bartimäus war also nicht von Geburt an blind, sondern ist im Laufe seines Lebens erblindet. Es gab damals Eltern, die aus finanzieller Not eines ihrer Kinder absichtlich geblendet und damit blind gemacht haben, um sie als Bettler an die Straßen zu setzen und so an Geld zukommen,. Vielleicht traf Bartimäus dieses schreckliche Schicksal. Und damit trat all das ein, was zu damaliger Zeit mit Blindsein einherging: Verarmung, Betteln, Ausgestoßensein, Angewiesen-sein auf das Wohlwollen anderer, absolute Hilflosigkeit, ein Leben am untersten Rand. Das alles verbirgt sich in der Bitte "Ich möchte wieder sehen können".

Jesus, der göttliche Arzt, braucht eigentlich nichts mehr zu tun, als zu bestätigen: "Dein Glaube hat dir geholfen!"
Es sieht fast so aus, als habe Jesus gar kein Wunder gewirkt, als habe er nur die letzten Reserven des blinden Bettlers aktiviert. Dessen Wille, wieder sehen zu wollen und sein Vertrauen auf Jesus haben ihn geheilt. "Geh, dein Glaube", d. h. die Kraft deines Vertrauens, "hat dir geholfen."

Bartimäus hat allerdings nicht nur sein Augenlicht wieder erlangt. Es gehen ihm auch die Augen auf für Jesus. Er wird sehend für Jesus und seinen Weg. Der letzte Satz heißt: "Er folgte Jesus auf seinem Weg." Bartimäus schließt sich Jesus an. (…)
Aus dem am Straßenrand sitzenden Bettler wird ein Nachfolger. Aus dem Blinden ein Sehender. Bartimäus wird zum vorbildhaften Jünger.

Vorbildhaft auch für uns! Wir sollen sehend werden und nachfolgen, nicht aus Furcht, die den Jüngern den Blick verstellt (vgl. Mk 10,32), sondern mit erleuchteten Augen, mit Augen, die im Kreuzesleiden Jesu das Heilswerk der Erlösung erkennen, die Macht seiner Liebe, das Wunder des göttlichen Erbarmens.

Noch etwas verdient unsere Aufmerksamkeit:
Der Ruf des blinden Bartimäus "Kyrie eleison" hat Eingang gefunden in die Liturgie der Kirche. Sowohl beim blinden Bettler als auch im Gottesdienst ist dieser Bittruf ein Bekenntnis zu Jesus, unseren Erlöser und Heiland.

Übrigens, der Ruf lebt heute auch weiter im "Jesusgebet".
Athos-Mönche und andere wiederholen bis zu tausendmal am Tag: "Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!"
Sie erinnern sich damit ständig an Jesus, den Sohn Gottes, an ihn, der für uns gestorben und auferstanden ist, der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat.

Auch wir können uns dieses Gebet zu eigen machen. Es ist ein Gebet für uns alle. Es kann uns helfen, immer und überall in der Gegenwart Gottes zu leben. Es kann helfen, immer wieder neu von der Blindheit des Herzens befreit zu werden und die heilende Kraft des Glaubens zu erfahren.

Für das Regionalteam Steyl
Sr. Radegundis Kaufmann SSpS