Die Aachener Heiligtumsfahrt – ein Glaubensfest

Sr. Stefanie Hall war als Helferin bei der Heiligtumsfahrt des Bistums Aachen dabei. Wie sie die Tage erlebt hat und wovon sie besonders ergriffen war, schildert sie hier.

Sr. Stefanie Hall stand am Ausgang des Doms und kam dort mit vielen Menschen ins Gespräch

Wenn ich jemandem davon erzähle, dass ich zur Heiligtumsfahrt in Aachen war, wo u.a. die Windeln Jesu gezeigt werden, ernte ich meistens nicht mehr als ein müdes Lächeln. Mir ging es vor meiner ersten Teilnahme an der in der Regel alle sieben Jahre stattfindenden Heiligtumsfahrt nicht anders. Motiviert durch eine Mitschwester, die mich bat, mich doch als Gesprächspartnerin für Gespräche im Geistlichen Zentrum während eben dieser Heiligtumsfahrt zur Verfügung zu stellen, habe ich mich in diesem Jahr zu einer Teilnahme entschlossen. Da kurz vor der Fahrt noch viele Helferinnen und Helfer auch für andere Bereiche gesucht wurden, habe ich mich zusätzlich dazu bereit erklärt, stundenweise den Welcome-Dienst am Dom zu übernehmen. In meinem Fall war es eher der Verabschiedungsdienst, denn ich stand mehrfach am Domausgang und habe die Menschen sich ins Gästebuch eintragen lassen oder nach ihren Eindrücken befragt. Dabei kamen dann viel eher Gespräche zustande als im Geistlichen Zentrum, das etwas weiter abseits vom Dom zu finden war. Manche Pilger und Pilgerinnen waren sehr gerührt von ihren Erfahrungen, die sie im Dom beim langsamen Vorbeischreiten an den Heiligtümern oder beim indirekten Berühren persönlicher Gegenstände mit den Heiligtümern gemacht hatten. Manche waren auch voll des Lobes über die gute Organisation dieses großen Events.

Außer den Windeln Jesu wurden noch das Kleid Mariens aus der Geburtsnacht, das Enthauptungstuch Johannes‘ des Täufers sowie das Lendentuch Jesu gezeigt. Außerhalb der Heiligtumsfahrten sind diese Tücher im Marienschrein im Dom fest verschlossen. Während der zehn Tage der Heiligtumsfahrt wurden sie zur Verehrung im Langschiff des Domes sowie während der Gottesdienste den Gläubigen gezeigt. Ein- oder zweimal täglich wurden sie dafür auch auf den benachbarten Katschhof gebracht, wo auf einer großen Bühne die Pilgergottesdienste stattfanden. Die Pilgermessen wurden meist von Bischöfen oder Weihbischöfen gefeiert, die in einer Beziehung zum Bistum Aachen stehen. Eröffnet wurden diese Gottesdienste immer mit der Wallfahrtshymne, einem jedes Mal neu komponierten und getexteten Lied. Es passt zum jeweiligen Thema der Heiligtumsfahrt, das dieses Mal „Für wen haltet ihr mich? – Entdecke mich“ lautete. Dieses Thema bringt den tieferen Sinn der Wallfahrt zum Ausdruck: die Heiligtümer als Zeichen für Jesus zu sehen, ihn und sein Leben durch sie zu entdecken: seine Geburt, sein Leiden und Sterben sowie das Zeugnis für Jesus Christus durch Menschen wie Johannes den Täufer; aber auch den Menschen und damit sich selbst als Abbild Gottes zu entdecken.

An jedem Tag sind bestimmte Gruppen zur Heiligtumsfahrt besonders eingeladen. So auch die Ordensleute des Bistums Aachen, die am 13. Juli ihren diesjährigen Ordenstag auf der Heiligtumsfahrt feierten. Dazu waren auch einige Mitschwestern aus Steyl und Mönchengladbach angereist. Nach einem Morgenlob in der orthodoxen Kirche St. Dimitrius zogen wir in einer Prozession zur Pilgermesse zum Katschhof, wo das Pilgertuch uns gute Dienste gegen die unerbittlich heiße Sonne leistete. Anschließend waren wir zu einem einfachen Mittagessen eingeladen. Den Rest des Tages konnte jede*r nach eigenen Wünschen gestalten. Viele nutzten die Gelegenheit zur persönlichen Verehrung der Heiligtümer im Dom oder z.B. zum Besuch der Domschatzkammer, wo in einer Sonderausstellung u.a. die Schlösser des Marienschreins gezeigt wurden. Denn alle sieben Jahre ist ein neues Schloss nötig, da der Schlüssel nach dem Verschließen des Schreins zerstört wird. Ein Teil wird dann dem Domkapitel übergeben, ein anderer der Stadt Aachen.

Oft wird über den geringer werdenden Glauben in der Kirche geklagt. Bei der Heiligtumsfahrt kann man das Gegenteil erfahren. Hunderttausend Menschen pilgern in zehn Tagen nach Aachen und feiern ihren Glauben – in der Verehrung der Heiligtümer, in den Gottesdiensten inmitten einer großen Gemeinschaft und mit einem begleitenden Kulturprogramm. Sehr beeindruckt hat mich die Mitfeier einer Komplet, die täglich um 22 Uhr im Dom stattfand. Der Dom war prall gefüllt, und alle sangen die Gesänge der Komplet mit ganzem Herzen mit. Es war fast unwirklich, gerade nach den letzten Jahren der Coronapandemie mit ihren einschneidenden Begrenzungen bei Gottesdiensten. Ein sehr ergreifendes Glaubenszeugnis!

So ist die Heiligtumsfahrt viel mehr als das Zeigen einiger heiliger Stoffe: Es ist ein Glaubensfest, das die Gläubigen Gemeinschaft erfahren lässt, die unser Glaube braucht, um gestärkt zu werden und lebendig zu bleiben. Vielen Dank an alle, die mit unermüdlichem Einsatz dieses Fest ermöglichen!

Sr. Stefanie Hall

Mehr Infos zur Heiligtumsfahrt

 

Motto, Logo und Plakat zur Heiligtumsfahrt
Der noch fast leere Domhof
Pilgermesse am Ordenstag auf dem Katschhof
Der offene Marienschrein
Das Marienkleid Foto: Andreas Steindl
Verehrung der Heiligtümer im Dom
Die Windeln Jesu Fotos: Andreas Steindl
Zum Abendlob war der Dom immer sehr gut gefüllt. Foto: Andreas Steindl
Täglich gab es ein begleitendes Kulturprogramm