Die ersten Schwestern waren Wartende

Zum Gründungstag unserer Gemeinschaft (08.12.) fragt sich eine Weggefährtin: 132 Jahre SSpS – ist das in unserer aktuellen Zeit nicht auch ein stärkendes Zeugnis dafür, dass sich Warten lohnen kann?

Die ersten Novizinnen 1892

Warten spielt in unserem Leben zurzeit in verschiedenen Ausprägungen eine wichtige Rolle.

Da gibt es zum einen ein adventliches Warten, ein Warten auf schöne Ereignisse, die an feste Daten geknüpft sind, Geburtstage, Weihnachten oder Feste wie den Gründungstag. Man braucht Geduld, kann sich vorbereiten, Vorfreude entwickeln und darauf hinleben. Es lassen sich Tage zählen, Törchen öffnen, Kerzen anzünden. Und irgendwann weiß man, drei-, zwei-, einmal werden wir noch wach, dann hat das Warten ein Ende und der große Tag, das ersehnte Fest ist da.

Eine zweite Wartevariante strapaziert viele aktuell zunehmend. Das ist ein Warten auf ein herbeigesehntes Ereignis, dessen Datum wir nicht kennen und dessen Eintreffen unsicher ist. So warteten wir vor einem Jahr auf die Entwicklung einer schützenden Impfung; aktuell warten wir auf das Ende der 4. Welle, manche auf ihren Boostertermin und vor allem warten alle aufs Pandemieende, den ‚Freedom Day' mit kollektivem Maskenverbrennen und dem Ende aller Kontaktbeschränkungen.
 
Wie lang, wie aussichtslos, wie unerträglich einem solche Wartezeiten mit ungewissem Ende werden können, erleben wir gerade - bei uns selbst und bei Menschen um uns herum. 

Warten schlaucht, auch einem Geduldigen kann dabei die Hoffnung abhandenkommen, die Luft ausgehen, die Verzweiflung packen... „Ja, geht das denn nie vorbei?'", „Glaubst du, das wird irgendwann wieder gut?"– Solche Fragen werden gerade in den letzten Wochen zunehmend gestellt. Resignation schwingt in ihnen mit, Kraftlosigkeit, Sorge und Trauer um Zeit und verpasste Gelegenheiten, die sich nicht nachholen lassen.

Was hat das mit eurem heutigen Festtag zu tun? Nun, vor 132 Jahren gab es zwar keine pandemische Virenbedrohung und die Frauen, die in Steyl mit langer Ausdauer warteten, taten es nicht aufgrund von Gesetzen und Verordnungen. Aber der Gründung der Kongregation ging auch ein sehr langes, geduldiges Warten ohne Zieldatum und ohne Sicherheit, dass die Gründung einer Missionsgemeinschaft für Frauen überhaupt Realität werden würde, voraus. Unsere eigenen, aktuellen Warteerfahrungen und direkte Betroffenheit, ermöglicht ein anderes Einfühlen in die Vorgründungs-Geschichte. 

Wo nahmen die ersten Schwestern diese bindende, nicht nachlassende Hoffnung her, dass sich ihr Warten am Ende auszahlen würde, dass sie ihr Leben durchs Warten nicht vertun, sondern genau richtig investieren würden? Woran haben sie sich wohl festgehalten und hochgezogen, wenn durch den Kopf ein „Ja, geht das denn nie vorbei?" zog? Was können sie uns für unsere aktuellen Herausforderungen mitgeben?
 
Ich denke mir, dass für sie unter anderem Folgendes wesentlich war:
• ihr tiefer Glauben,
• ein unablässig treibender, motivierender Geist,
• eine feste Gewissheit (jetzt sind wir schon bei 3G!), dass das Warten es wert ist, dass die eigene Berufung keine vorübergehende Euphorie ist, die schon wieder abflauen würde, eine Gewissheit, dass man der eigenen Sehnsucht folgen muss,
• ein Vertrauen auf die handelnden Akteure, in ihrem Fall konkret auf Arnold Janssen, seinen Ernst und seine Verantwortung gegenüber ihrem Anliegen,
• die Überzeugung, dass es letztlich um mehr geht, als um die eigene Selbstverwirklichung, dass es um andere geht und
• ein starkes, gegenseitig haltendes Miteinander.

Und wie sehr hat sich das Warten gelohnt! - Man stelle sich nur vor: Was wäre heute und in den letzten 132 Jahren alles nicht geschehen, hätten Zweifel und Resignation gesiegt und diese Frauen ihre Hoffnung verloren und ihr Warten aufgegeben?

Wieviel Begeisterung, Lebendigkeit, Solidarität, Glauben, Gemeinschaft, Engagement, Liebe, Kraft, Unterstützung, Beistand, Empathie, .... wären nicht in die Welt gekommen? Oder positiv formuliert: Wieviel Licht ist dadurch in 132 Jahren ins Leben anderer gebracht worden?
 
Mit unseren eigenen Warteerfahrungen lässt sich vielleicht auch nochmal sensibler nachempfinden, welch ein Paukenschlag der 08.12.1889 für die Wartenden gewesen sein muss. 
Welch ein Freudentag – das Ende allen Wartens!