„In der Stille der Berge wird das Herz berührt“

Die Bewegung beim Wandern hilft, zur Ruhe zu kommen und den Kopf freizumachen. Im Interview erzählt Magdalena Beier, ausgebildete DAV-Wanderleiterin und Hauptamtliche im in:spirit Team der Steyler Missionsschwestern, was sie an Bergexerzitien fasziniert.

Magdalena bei einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen: wandern in den Bergen.

Hallo Magdalena, was bedeuten dir die Berge?
Die Berge haben für mich eine große Faszination. In den Bergen kann ich auftanken, dort bekomme ich Kraft und neue Gedanken. Sie sind ein Ort, wo ich die Naturgewalten, Gottes Schöpfung, sehr stark spüre.

Das klingt nach perfekten Voraussetzungen für Bergexerzitien. Doch was sind Bergexerzitien überhaupt?
Das schöne ist, dass es sehr verschiedene Formate gibt. Manchmal ist man von der einen Hütte zur anderen tagelang unterwegs. Oder man hat ein Basislager und macht von dort aus dann Touren. Wir von in:spirit sind immer auf einer Selbstversorgerhütte, dort können wir kochen und viel Raum für uns haben.

Wie läuft ein Tag Bergexerzitien bei euch ab?
Es gibt bei uns feste Rituale. Wir starten mit einem Morgenimpuls und wandern dann schweigend mit Abstand voneinander los. Durch das Gehen und die Natur kommt man zu sich selbst, zu den Themen, die einen innerlich beschäftigen. Nach einer halben Stunde gibt es dann einen meist biblischen Impuls und Zeit zum Meditieren. Die Gedanken zu den Impulsfragen kann man in das Schweigen hinein auf den weiteren Weg bis zum Gipfel mitnehmen. Am Gipfel machen wir dann Mittagspause und es gibt wieder einen Impuls, ein Gebet oder einen Text – welcher den Impuls vom Vormittag vertieft und mit dem man dann absteigt. Jeder hat dann etwas Zeit, um sich einen schönen Platz zu suchen und den Impulsfragen nachzugehen und auch etwas aufzuschreiben. Danach laufen wir zurück zur Hütte, wo wir dann bei Kaffee und Keksen ins Gespräch kommen.

Die Bergexerzitien sind also eine Kombination aus Zeiten des Alleinseins und der Gemeinschaft.
Ja, genau. Nach dem Kochen und dem Abendessen machen wir einen Tagesrückblick. Wir erzählen uns gegenseitig, was uns bewegt, was besondere Momente waren und welche Gedanken heute gekommen sind. Die Austauschrunden sind sehr bereichernd, da ganz unterschiedliche Menschen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen verschiedene Aspekte haben, die sie betonen – und bei manchen findet man sich selbst wieder. Nach dem Abendgebet geht es zum gemütlichen Teil über und wir ratschen oder spielen – das ist oft sehr lustig.

Welche Rolle spielt das Schweigen?
Das Reinkommen ins Schweigen ist teilweise schwierig – wir kommen ja aus einem vollen, lauten und stressigen Alltag. Am ersten Tag geht es darum, das zurückzulassen, was mich bis dato beschäftigt hat und ganz auf meine Sinne zu achten. Dies hilft, in der Stille anzukommen. Die Stille hilft mir, die kleinen und großen Dinge am Wegesrand besser wahrzunehmen: kleine Blumen, wuselnde Ameisen, die wunderbare Aussicht. Wenn ich rede, geht Vieles unter.

Die Bergexerzitien können also zu einer anderen Wahrnehmung der Natur beitragen. Verändern sie auch die Perspektive auf das eigene Leben?
Ja, und es kann gut sein, dass die Natur etwas widerspiegelt, was mich gerade persönlich innerlich bewegt. Manchmal passt die Umgebung auch zusammen mit der Impulsbibelstelle. Dass es zum Beispiel einen schönen Bach gibt, der uns begleitet und ich dann ins Fragen komme: Wer oder was ist für mich eine Quelle? Oder: Wo komme ich ins Fließen?

Im Psalm 121 heißt es: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ Werfen die Berge die großen Fragen auf?
Absolut. Exerzitien heißt immer auf sein Leben zu schauen, aber auch auf seine Beziehung zu Gott. Was gibt mir Kraft? Wer ist der Grund meines Lebens? Dem wollen wir auch nachspüren und letztendlich die Gottesbeziehung stärken und dafür auch einen Raum geben. Die Berge und das Unterwegssein, die Natur gekoppelt mit der Gemeinschaft sind sehr heilsam. Indem ich mir Zeit nehme, kann ich in ein Zwiegespräch mit Gott kommen – wenn man offen dafür ist und sich auch immer wieder Orte alleine sucht, um hinzuhören, in sich hineinzuspüren – dann kann und darf viel passieren. Da spreche ich auch aus eigener Erfahrung.

Schon die Bibel beschreibt Berge als Orte der Gottesnähe, wo Menschen sich seit Urzeiten Gott besonders verbunden fühlen.
Ich fühle mich näher an Gott, wenn ich in den Bergen oder auf dem Gipfel bin. In diesem Zusammenspiel der wunderbaren Natur, der Schöpfung und auch der Stille wird das Herz berührt. Es gibt viele Gotteserfahrungen auf den Bergen: die Zehn Gebote, die Verklärung am Berg Tabor, Elia am Gottesberg Horeb – das ist schon eine Faszination, die von ihnen ausgeht.

Gleichzeitig sind Berge extreme Orte: Glück und Leid, Leben und Tod liegen näher beieinander als im Alltag. Bringt das Menschen auch dazu, tiefer nachzudenken?
Absolut. Ich kann schnell in eine ungemütliche Situation kommen, die ich nicht mehr kontrollieren kann. Manchmal sind es auch diese Grenzerfahrungen, die einen dann auch auf lebenswichtige Fragen stoßen. Es schwingt bei den Bergexerzitien immer mit, dass es etwas Natürliches ist, dass unser Leben immer Höhen und Tiefen hat, dass der Weg nicht immer gerade ist oder dass man sich auch mal verläuft.

Was war einer deiner Lieblingsmomente in den Bergen?
Wir hatten letztes Jahr einen Tag, da hat es geregnet, geregnet und geregnet. Alles war voller Wolken, aber wir wussten, dass es um die Mittagszeit aufklaren soll. Und dann standen wir auf dem Gipfel als kleine Menschen und haben einfach nur gestaunt über die hochziehenden Wolken – und dann kam die Sonne raus. Es war ein unglaubliches Gefühl: Du bist zwar total nass, aber du hast das jetzt durchgestanden, die Geduld hat sich gelohnt. Es ist ein totales Spektakel gewesen. Das sind Momente, die schenkt dir die Natur und die schenken dir die Berge.

Von Elias Biermann aus dem in:spirit Magazin zum Thema "Bewegt"

Info: Vom 21.-25- August 2023 finden wieder Bergexerzitien in den Ammergauer Alpen statt. Es ist ein Angebot für junge Erwachsene und Junggebliebene. Die Tage werden von zwei Steyler Missionsschwestern und der Wanderführerin Magdalena Beier begleitet. Eine genaue Ausschreibung, Daten und Preise gibt es hier