MaZ: „Ich kann etwas geben und bekomme ganz viel zurück“

Als gelernte Hebamme ist Elisabeth während ihres Einsatzes als Missionarin auf Zeit hauptsächlich in einem Krankenhaus eingesetzt. Aber mittlerweile unterrichtet sie auch in einer Schule Englisch, was ihr große Freude bereitet. Generell ist sie einfach sehr glücklich in Angola.

Elisabeth hat auch mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus eine Menge Freude.

Boa tarde familia! So begrüßt man sich in Angola, wenn man zu einer Gruppe dazustößt. Das finde ich schön, und so fühlt es sich für mich in N’Zeto an. Ich werde aufgenommen wie in einer Familie, wo man gute und nicht so gute Seiten einer Person kennenlernt, und sie trotzdem akzeptiert. Ich halte mir immer vor Augen, dass mein Zusammenleben mit den Schwestern nicht perfekt sein kann. Wie in einer Familie gerät man manchmal aneinander, hat unterschiedliche Meinungen und Interessen. Im Endeffekt teilt man sein Leben miteinander und genießt die gemeinsame Zeit.

Während ich diesen Brief schreibe, sitze ich am Strand, warte auf den Sonnenuntergang und höre die Wellen rauschen. Das hört sich an wie in einem Traum und das ist es auch. Ich bin gerade sehr glücklich und habe das Gefühl, dass Angola das Beste aus mir herausholt. Ich kann nicht nur etwas geben, sondern bekomme ganz viel zurück.

Der Englisch-Unterricht in der Schule macht mir unglaublich viel Spaß. Ich freue mich immer auf die Schule und habe auch mit den Lehrerkolleg*innen viel Glück. Wenn ich etwas brauche oder das System noch nicht gecheckt habe, sind sie immer zur Stelle! Mit der Verlässlichkeit und Planung ist das so eine Sache. Als wir ausgemacht haben, uns zu treffen, um den Stoff für die kommenden Wochen zu besprechen, war ich die Einzige, die aufgetaucht ist. Die Schule ist hier mehr wie ein Bildungsangebot, wie mein Papa zu sagen pflegt. Wer Lust und Zeit hat, sich nicht um Geschwister kümmern oder arbeiten muss, besucht den Unterricht. Der Rest kommt allenfalls zur Schularbeit. Da Englisch als Fremdsprache zu den Nebenfächern zählt, muss man nicht einmal bestehen, um in die nächste Klasse aufzusteigen. Wenn es regnet, ist das ein Freifahrtschein für Schule und Arbeit, um daheim zu bleiben. So kann eine Schulklasse an einem Regentag traurig ausschauen – nämlich ziemlich leer.

Wenn ich nicht gerade Dienst im Spital mache, bin ich in der Schule. Ich habe von Anfang an gesagt, dass mir das Allerwichtigste ist, dass sie in meinem Unterricht Spaß haben und motiviert werden, zumindest ein paar Wörter auf Englisch zu lernen. Die erste Hausaufgabe wurde brav gemacht. Jede*r hat eine Sache mitgebracht, die sie oder ihn interessiert. Es konnte ein Lied auf Englisch, ein Video oder was auch immer sein. In den letzten Wochen haben wir ein kleines Video übersetzt und nachgespielt sowie ein Lied von Rihanna oder Ed Sheeran gesungen. Flirten ist ein großes Thema in diesem Alter, also lernen wir Sätze wie „Ich finde dich sehr hübsch.“ Da sind immer alle ganz Ohr und schreiben fleißig die Sätze von der Tafel ab. Genau diesen Spirit möchte ich haben, diese Motivation und Begeisterung. Wenn ich das weitergeben kann, macht mich das sehr glücklich!

Ich habe gelernt, meine steifen Ansichten von Machtverhältnissen ein bisschen lockerer zu sehen. Zum Beispiel war es mir am Anfang richtig unangenehm, dass manche meiner Schüler*innen in meiner Pfadfindergruppe sind oder teilweise sogar älter sind als ich. Wie soll ich mich da verhalten? Ist das nicht komisch? In der Schule ruft man mich „Professora“, bei den Pfadis aber einfach Elisabeth?! Ich durfte die Erfahrung machen, dass ich einfach als Mensch gesehen und respektiert werde. Genauso dreht sich der Spieß um, wenn diese Pfadi-Kolleg*innen mir dabei helfen, die Nationalhymne von Angola auswendig zu lernen oder mit mir Kikongo üben…

Ich habe sehr viel Spaß bei den Pfadfindern. Bei ihnen habe ich Freund*innen gefunden und genieße es sehr, dass ich in die Gruppe aufgenommen wurde. Ohne viel zu fragen, darf ich dabei sein, überall mitmachen und sogar die „Promessa“, das Pfadfinderversprechen, ablegen, quasi die offizielle Aufnahme. Dafür haben wir die letzten Wochen fleißig die ganzen Sprüche, Lieder und Aufstellungen geübt. Ich bin schon sehr gespannt, wie das alles abläuft! Den Zusammenhalt der Pfadis durfte ich besonders spüren, als der Vater einer Pfadi-Kollegin gestorben ist. Nach dem wöchentlichen Treffen am Sonntag sind die Gruppen verschiedenen Alters zum Óbito (der Trauerfeier) gegangen, um unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme auszudrücken. Obwohl ich und viele andere, sie und geschweige ihren Vater nicht gut kannten …

Bei meiner Arbeit als Hebamme ist es schön zu sehen, wie ich im Dienst immer mehr mit meinen Kolleginnen als Team zusammenwachse, wie wir uns immer besser ergänzen, die Stärken jedes und jeder kennen und nutzen. Was ich nach meinem Ankommen noch als unhygienisch, dreckig und unzumutbar empfunden habe, ist mittlerweile ganz normal geworden. Es hat sich eine Arbeitsroutine eingestellt. Ich denke nicht mehr darüber nach, wie ich das in Österreich gemacht hätte, wenn ich nur Dieses und Jenes zur Verfügung habe … Wenn nicht viel los ist, haben wir es immer lustig, weil auch Krankenpflegepraktikant*innen in unseren Dienst eingeteilt werden. Zu sehen, dass ich jetzt, obwohl ich noch nicht lange da bin, ein bisschen erklären und zeigen kann, war richtig schön. Als der Praktikant Gedes zum ersten Mal eine Geburt begleitet und danach mit mir die Geburtsverletzung genäht hat, war ich richtig stolz auf ihn. Ich freue mich, einen Minibeitrag geleistet zu haben, dass ihnen dieses Praktikum Spaß macht und sie viel lernen durften. Als Ausgleich habe ich von ihnen Kikongo Unterricht bekommen und sehe auch da langsam Fortschritte. „Kiese outidi omoana niakala/nkentu“ - „Glückwunsch, es ist ein Mädchen oder ein Junge“. Wenn sie das hören, sind die Frauen und ihre Begleitpersonen ganz begeistert und antworten etwas, das ich noch nicht verstehe. Aber so ist das eben, wenn man eine Sprache lernt.

Ich bin unglaublich dankbar, dass ich eine so gute Ausbildung genießen durfte, und jetzt diesen wunderschönen Beruf ausüben darf. Hier in Angola bekomme ich nochmal eine ganz andere Sichtweise auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Ein Hoch auf alle „Hebis“, wie ich uns liebevoll nenne! Dass wir in Zukunft noch mehr gesehen und gehört werden! Jeder Frau und jeder Familie steht eine individuelle und kompetente Betreuung zu.

Ich habe langsam meine Rolle gefunden. Wer bin ich, warum bin ich da, was ist meine Aufgabe, was wird von mir erwartet, wie kann ich es allen recht machen? Das beschäftigt mich immer noch, aber ich überdenke die Situationen nicht mehr so viel, sondern lasse alles auf mich zukommen und „schwimme“ mit.

Neben der Schwesternkommunität, in der ich lebe, gibt es eine „Wohngemeinschaft“ von zwei Schwestern, die ein Mädcheninternat führen. 17 Mädchen aus verschiedenen Ecken Angolas schließen ihre Schulbildung ab und möchten eventuell Schwester werden. Bisher ist es mir schwergefallen, einen Zugang zu ihnen zu finden. Ich gehöre weder zu den Schwestern, noch zu ihnen. Vom Alter her passe ich in ihre Gruppe, in der Schule bin die Lehrerin… So hatte ich Bauchschmerzen, als es hieß, dass ich ein paar Tage bei ihnen wohnen soll, da mein Zimmer für Besuch gebraucht wird. Manchmal muss man sich den Herausforderungen stellen und den inneren Schweinehund besiegen. Von Tag zu Tag wurde es besser. Wir haben einen lockeren Zugang zueinander gefunden: Gemeinsam Zöpfe geflochten, gekocht, abgewaschen, Abendgebete vorbereitet oder unsere Lieblingsfernsehserie geschaut. Diese Tage haben mir gutgetan. Immer mal wieder übernachte ich ein oder zwei Nächte bei ihnen und genieße die gemeinsame Zeit!

Mittlerweile ist die Sonne schon fast untergegangen. Ich werde mich auf den Heimweg machen, und wünsche allen eine schöne Zeit!

Elisabeth

Mehr zum Freiwilligendienst Missionar*in auf Zeit gibt's hier

Elisabeth gibt in der Schule Englischunterricht
Bei den Pfadis fühlt sie sich sehr wohl
Mit den Schwestern und Schülerinnen