MaZ: Von den vielen ersten Malen in Mumbai

Ima ist als Missionarin auf Zeit in Indien und schreibt in ihrem ersten Rundbrief von ihrem Zusammenleben mit den Schwestern, den Vorbereitungen auf ihren Einsatz im Krankenhaus und dem köstlichen indischen Essen.

Jetzt ist es einen Monat her, dass ich hier in Mumbai angekommen bin. Die Zeit hier ging so schnell und gleichzeitig so langsam vorbei, wenn ich daran denke, was ich schon alles erlebt habe. Die letzten Wochen waren vor allem von vielen ersten Malen geprägt: Zum ersten Mal indisches Essen probieren (super lecker), zum ersten Mal die Öffis benutzen (super voll) oder zum ersten Mal indische Feste feiern (super viel). Das ist nur ein kleiner Teil der neuen Erfahrungen, die ich machen durfte. Und täglich kommen mehr dazu.

Aber so rosig, wie das jetzt klingen mag, war es nicht von Anfang an. Schon in den ersten zwei, drei Tagen habe ich alle Phasen des Kulturschocks, die wir im Blockseminar besprochen haben,  täglich mehrmals durchlebt. In einem Moment war ich total euphorisch und im nächsten habe ich meinen kompletten Aufenthalt hier hinterfragt. Dieses Auf und Ab der Gefühle war ziemlich anstrengend. Das hat sich aber glücklicherweise schnell wieder gelegt, als ich angefangen habe, im Gesundheitszentrum mitzuarbeiten. Ich wurde in verschiedene Kliniken mitgenommen, in denen Patient*innen aus ärmeren Regionen günstig medizinische Versorgung erhalten. Dort wurde mir auch nochmal klar, wie wichtig die Sprache ist. Im Alltag komme ich mit meinem Englisch super zurecht. Auch in der Kommunität der Schwestern, mit denen ich zusammenlebe, wird Englisch gesprochen. Die meisten Patient*innen sprechen aber nur Hindi oder Marathi. Ich habe mir also vorgenommen, wenigstens Grundkenntnisse in Hindi (Landessprache Indiens) zu erlernen.

Momentan gehe ich auf die Krankenschwesterschule auf dem Campus des Krankenhauses. Dort lerne ich Grundlagen, wie Bettenmachen (was komplexer ist als es klingt) oder die Hygiene sicherstellen. So kann ich mich besser auf meine Arbeit im Krankenhaus vorbereiten, die in einer Woche beginnt.

Ich war anfangs von den Berichten anderer MaZ etwas verunsichert und hatte Angst, dass ich anders als sie keinen Anschluss finden werde. Aber zum Glück konnte ich schnell soziale Kontakte knüpfen. Einerseits mit den Schwestern, bei denen ich mich mittlerweile wie zuhause fühle und die mich auch auf verschiedene Feste außerhalb mitnehmen (Bsp.: Taufe, Geburtstagsfeier). Andererseits aber zum Beispiel auch durch die Krankenschwesterschule. Dort mit im Unterricht zu sein, bietet mir nicht nur die Chance, ein paar Grundlagen der Pflege zu lernen, sondern gleichzeitig auch die Schülerinnen kennenzulernen, die ungefähr in meinem Alter sind. In den Klassen wurde ich sofort total lieb aufgenommen und integriert, was mich wirklich gefreut hat. Mit ihnen kann ich am Wochenende auch außerhalb des Campus etwas  unternehmen. Auch die Jugend der Gemeinde nebenan hat mich sofort herzlich aufgenommen, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin. Seit Neuestem gehe ich dort in den Chor, in dem wir jetzt anfangen, uns auf Weihnachten vorzubereiten (wo rennt die Zeit schon wieder hin?!). Generell bin ich jedes Mal wieder neu von der Offenheit und Herzlichkeit, die mir entgegengebracht werden, überwältigt. Meine anfängliche Sorge stellt sich also als vollkommen unbegründet heraus.

Mittlerweile gehe ich auch alleine auf die Straße, um einfach mal die Gegend zu erkunden. Gerade dort aber merke ich auch, wie Menschen mich interessiert angucken. Zum einen, weil ich offensichtlich nicht aus Indien komme, und zum anderen, weil ich, anders als die meisten indischen Frauen und Mädchen, kurze Haare habe. An die Blicke habe ich mich aber schnell gewöhnt und finde sie gar nicht weiter schlimm, sondern eher verständlich. Ich sehe nun mal anders als die meisten hier aus.

Eigentlich hatte ich gedacht, dass die Schwestern sehr behütend sein werden und mich zumindest anfangs nicht alleine rausgehen lassen wollen. Dem ist aber überhaupt nicht so. Zwar soll ich jemandem Bescheid sagen, wenn ich gehe, wodurch ich mich auch abgesichert fühle, aber sonst kann ich rausgehen, wann und wohin ich möchte. Allgemein bin ich überrascht, aber so dankbar dafür, wie viel mir die Schwestern von Anfang an zutrauen und wie viele Freiheiten ich habe. Nicht nur wenn es darum geht, eigenständig rauszugehen, sondern beispielsweise bezüglich Gebets- und Arbeitszeiten. Die Schwestern haben mir oft gesagt, dass die Gebete und Messen keinesfalls verpflichtend für mich seien. Grundsätzlich nehme ich daran aber gerne Teil, besonders bei der Messe in der Kapelle des Krankenhauses. Wenn mir aber mal nach ein wenig ausschlafen ist, lasse ich das Morgengebet, das um 6 Uhr morgens beginnt, aber auch mal ausfallen.

Ich merke immer wieder, wie sich die Menschen in meinem Umfeld darüber freuen, wenn ich indische Dinge ausprobiere. Sie freuen sich, wenn ich versuche, ein paar Wörter Hindi zu sprechen oder typisch indische Kleidung trage. Und auch ich finde wirklich Gefallen daran. Besonders aber freuen sie sich, wenn ich mich durch das indische Essen probiere. Und auch wenn es hin und wieder Ausnahmen gibt, muss ich wirklich sagen, dass ich indische Gerichte genau wie den Tee einfach super lecker finde. Mit der Schärfe muss ich zwar aufpassen, aber da fast immer genug Reis und/oder Chapati (dünnes Fladenbrot) dabei ist, ist auch das nicht wirklich ein Problem.

Ganz besonderes Essen gab es beim Fest Onam. An diesem Tag wird das Erntefest in dem südindischen Staat Kerala gefeiert. Viele Menschen hier auf dem Campus stammen aus Kerala (Schwestern, Schülerinnen und Krankenhauspersonal). Also haben wir auch bei uns Onam gefeiert, auch wenn Mumbai in Maharashtra, einem zentralwestlichen Staat, liegt. Gekleidet wurde sich traditionell hauptsächlich in Gold und Weiß. Netterweise haben mir die Schülerinnen ein passendes Outfit geliehen, wodurch ich mich gleich viel mehr dazugehörig gefühlt habe. Am Nachmittag und Abend des Vortages haben die Schülerinnen die Schule geschmückt, wobei ich ihnen ein bisschen helfen konnte. Mehrere Stunden haben sie Girlanden gebastelt und Blüten für die Blütenmandalas geschnitten.

Ich kannte diese Mandalas immer nur von Fotos und wusste nicht, wie viel Aufwand das eigentlich ist.  Aus dem gegebenen Anlass haben alle Schwestern der zwei Kommunitäten zusammen gegessen. Es ist zwar nur ein Gebäude, aber in obere und untere Kommunität unterteilt. Ich gehöre zu der oberen Kommunität, wo nur Schwestern leben, die im Krankenhaus arbeiten. Unten wohnen auch ältere Schwestern, die teilweise Pflege benötigen. Das Abendessen war richtig schön, nicht nur weil alle Schwestern anwesend waren, sondern auch weil eine richtig festliche Stimmung geherrscht hat. Das Essen wurde nicht wie normalerweise von Tellern gegessen, sondern von Bananenblättern.  Das war für mich auch das erste Mal, dass ich Reis mit den Fingern gegessen habe. Das lief am Anfang eher schlecht als recht. Es gab zwar auch Besteck, aber ich wollte nicht so schnell aufgeben. Mit der richtigen Technik ging es dann auch schon viel besser.

Am eigentlichen Festtag konnte ich leider nur sehr begrenz teilnehmen, da ich zum ersten Mal krank geworden bin. Durch die gerade herrschende Regenzeit sind viele Viren im Umlauf, sodass es normal ist, auch mal krank zu sein. Trotzdem hat mich das erst einmal ganz schön nervös gemacht, aber die Schwestern haben sich gut um mich gekümmert. In Notfällen wäre das Krankenhaus ja aber auch direkt vor der Tür, was eine zusätzliche Absicherung ist. Mittlerweile geht es mir aber wieder vollkommen gut.

Ich freue mich wirklich auf die kommenden Monate und bin gespannt, was ich zum ersten aber hoffentlich nicht zum letzten Mal erleben darf.

Ima