Mutter Maria - Wie alles begann

Zum Gedenktag (28.11.) von Mutter Maria, der Mitbegründerin der Steyler Missionsschwestern, schauen Sr. Stefanie Hall und Sr. Gerhardine Pütter in einem selbstgeschriebenen Zwiegespräch auf die Anfänge in Steyl zurück und verknüpfen die Vergangenheit mit der Gegenwart. 

Schwester: Mutter Maria – 

Mutter Maria: Ja?

Sr.: Wir feiern heute dein Fest! 

M.M..: Wieso? Ich bin doch schon über 120 Jahre tot. Müsst Ihr mich dann immer noch feiern?

Sr.: Na ja, schließlich verdanken wir gerade Dir und Deiner Sehnsucht, dass es uns als Dienerinnen des Heiligen Geistes überhaupt gibt. Erzähl doch mal von Deiner Sehnsucht…

M.M.: Damals als kleines Mädchen saß ich auf einer Wiese und hütete die Kühe der Familie. In der Hand hatte ich einen ganz kostbaren Schatz. Die Zeitschrift des Kindheit-Jesu-Vereins. Das Fest des Kindheitsvereins war mir wohl das freudigste Fest des ganzen Jahres. Die Zeitschrift war für mich das Tor zur weiten Welt. Beim Lesen fühlte ich mich besonders von Berichten über ausgesetzte Waisenkinder in China angesprochen. In meinem Herzen wuchs das Verlangen nach China zu gehen, um den Kindern zu helfen. Diese Sehnsucht verfolgte mich sogar bis in die Träume, in denen ich ausgesetzte Kinder rettete. Die armen Kinder, ich musste doch helfen. Ihre Not ging mir wirklich zu Herzen. Ich musste zu ihnen. Allerdings zweifelte ich, ob ich als Frau die ungeheuer weite Entfernung überwinden könnte und: Könnte ich die chinesische Sprache erlernen? Wäre ich doch ein Junge, dass ich studieren könnte! 

Sr.: Heute steht ja Jungen wie Mädchen ein Studium offen. Heute hättest Du es einfacher, Deiner Sehnsucht nachzugehen. Deinen Traum, Kindern zu helfen, konntest du ja bekanntlich in China nicht verwirklichen. 

M.M.: Ich wollte nicht nur der Not der armen Waisenkinder in China abhelfen. Ich fühlte mich auch angesprochen von der Not, die mich hier umgab. Und daher habe ich bei allen anfallenden Haus- und Feldarbeiten tüchtig mit angepackt und habe auch in der Nachbarschaft die Not gesehen, die durch Krankheit oder Tod entstand. 

Sr.: Und dennoch hat dich deine Sehnsucht, nach China zu gehen, nicht losgelassen, sondern du hast nach einem Missionsorden gesucht. Es war eine lange Suche, die dich über die Grenze, zwar nicht nach China, aber ins niederländische Steyl führte. 

M.M.: Als ich hierher nach Steyl kam, stellte ich mich voller Freude und innerer Begeisterung in den Dienst der Steyler Missionsgemeinschaft. Hier ergab sich neben der schweren Küchenarbeit ein neues Apostolat: Exerzitien für Frauen. Seit 1893 fanden die ersten Exerzitien für Frauen in unserem Schwesternkloster statt. Die Zahl der Frauen wuchs beständig. Wir Schwestern stellten den Gästen unsere Schlafzimmer, unsere Speise- und Arbeitszimmer zur Verfügung und suchten uns selbst einen Schlafplatz im Heu auf dem Dachboden. Ich muss sagen, wir freuten uns sehr, dass wir das Glück hatten, mit unserer Missionstätigkeit hier in Steyl zu beginnen. 

Sr.: Ja, und den Frauen widmen wir ja noch heute unsere besondere Aufmerksamkeit in unseren missionarischen Tätigkeiten. Und dann möchte ich Dich noch etwas Anderes fragen: In vielen unserer Kommunitäten leben heute Schwestern aus verschiedenen Nationen und unterschiedlichen Alters miteinander. Das ist nicht immer einfach. Wie war das denn zu Eurer Zeit?

M.M.: Eines lag mir von Anfang an besonders am Herzen: unsere Gemeinschaft. Ich war es ja schon von zu Hause aus gewohnt, mit verschiedenen Generationen zu leben. Und darum: Wir Schwestern müssen uns mit wahrer und aufrichtiger Liebe lieben, ganz besonders diejenigen, die Gott berufen hat, gemeinsam in einem Hause ihm zu dienen und am Heile vieler unsterblicher Seelen zu arbeiten. Wenn wir uns so recht schwesterlich lieben, dann geht das Gebet viel leichter. Und die Mühen und Beschwerden lassen sich viel leichter ertragen. Und, liebe Schwestern: um die Gottesliebe in die Herzen der Menschen einzupflanzen, bedarf es unsererseits einer großen Nächstenliebe untereinander und den Menschen gegenüber. Die Menschen, denen wir die frohe Botschaft von der Liebe Gottes verkünden, werden uns genau beobachten, ob wir selbst von dieser Liebe durchdrungen sind. Trotz allem können immer wieder Missverständnisse und Verletzungen vorkommen. Die sollten aber bald wieder gut zu machen sein. 

Sr.: Aber du hattest ja nicht nur Probleme innerhalb der Gemeinschaft zu lösen, sondern auch eine für Dich selbst schwerwiegende Entscheidung zu treffen. 

M.M.: Ja, dreimal hat mich der ehrenwerte Herr Superior gefragt, ob ich nicht in die Klausur gehen wollte. Missionsschwester? Klausurschwester? In meinem Inneren tobte ein Kampf. Ich konnte mich nicht entscheiden und überließ daher dem Herrn Superior die Entscheidung. Ich habe ihm gesagt: wohl habe ich eine große Liebe zum beschaulichen Leben, jedoch fühle ich mich mehr zum missionarischen Leben berufen. Was ist mit der Sehnsucht nach China, die seit meiner Kindheit langsam zu einem mächtigen Feuer entflammt ist? Ich habe mit allen Schwestern in heiliger Liebe zusammengelebt, aber ich war mir auch bewusst, dass es zu immer größeren Spannungen zwischen Missions- und Anbetungsschwestern kam. Aber ich erkannte, dass die beiden Teile der Gemeinschaft sich einander durch meinen Übertritt näherkommen würden; dass die beiden Teile sich in Zukunft durch innige Bande der Lieben umschlingen würden. Mit Rücksicht, dass für die Gemeinschaft Gutes aus meinem Übertritt erblühen möchte, habe ich dieses Opfer gebracht. 

Sr.: M. Maria, ich danke Dir, dass Du deinem Traum bis zu deinem Tod gefolgt bist. Darin bleibst du uns ein beständiges Vorbild. Und das ist uns Grund genug, Dich auch heute noch zu feiern. 

 Sr. Stefanie Hall und Sr. Gerhardine Pütter