Ein „Kneipp‘scher Espresso“ für mehr Achtsamkeit im Alltag

Welche Grundprinzipien gehen aus der Philosophie Sebastian Kneipps hervor? Welche Wirkung hat ein Arm- oder Beinguss auf Körper und Seele? Im Rahmen des Summer Spirit Auszeitprogramm gingen Sr. Dorothee Laufenberg und Heilpflanzenfachfrau Ulrike Schuler diesen Fragen nach und hatten zum „Kneipp‘schen Espresso“ an den Bodensee eingeladen.

Sr. Dorothee Laufenberg (vorne rechts) führte gemeinsam mit Heilpflanzenfachfrau Ulrike Schuler (vorne Mitte) durch den Kneipp'schen Espresso

Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch den morgendlichen Himmel über Eriskirch am Bodensee. Noch wissen die insgesamt sechs Teilnehmenden des „Kneipp‘schen Espresso“ nicht, welche Rolle die Tautröpfchen an diesem Vormittag noch spielen werden, die auf der Wiese im Garten vor dem Gästehaus St. Theresia der St. Elisabeth-Stiftung im Licht glänzen. Die Teilnehmenden, fünf Frauen und ein Herr, finden sich in der Kapelle des Gästehauses St. Theresia zur Begrüßung ein.

Der „Kneipp‘sche Espresso“ ist eine Veranstaltung, die im Rahmen der Summer Spirit Auszeitangebote im Raum Langenargen, Eriskirch, Friedrichshafen angeboten wird. Schwester Dorothee, Steyler Missionsschwester der Gemeinschaft „Der kleine Weg“ vom Gästehaus St. Theresia in Eriskirch, leitete zusammen mit Ulrike Schuler, Heilpflanzenfachfrau und begeisterte Kneippianerin die kleine Auszeit. „Wasser hat seit jeher eine tragende Rolle in unser aller Leben. Ob als Güsse, Dämpfe, Bäder, Waschungen oder in Verbindung mit Heilkräutern - Wasser bedeutet Leben“, sagt Sr Dorothee.

Ein Film über Sebastian Kneipp (1821-1897), Hydrotherapeut und Naturheilkundler, bringt den Teilnehmenden die Kneipp-Philosophie näher. „Die Kneipp-Therapie beruht auf Grundprinzipien, die auch heute, oder gerade in der heutigen Zeit, bedeutend sind: ein Leben im Einklang mit der Natur, Nachhaltig-keit und Achtsamkeit“, erklärt Ulrike Schuler. Die Kneipp-Therapie basiere auf den fünf Säulen Lebensordnung, Wasser, Bewegung, Ernährung und Pflanzenheilkunde. „Mäßigung ist hier der Schlüsselbegriff. Auf eine ausgewogene, gesunde Balance kommt es an“, so die 63-jährige Heilpflanzenfachfrau. Extreme seien niemals gut. Die Teilnehmenden erfahren, dass Sebastian Kneipp eine schwere Tuberkulose-Erkrankung durch eine Wasserkur überwunden haben soll. Wasser habe Kräfte und könne beeindruckende, positive Wirkungen auf Körper und Seele haben. „Ein Armguss beispielsweise wird bei körperlicher und geistiger Müdigkeit empfohlen, daher der Name „Kneipp‘scher Espresso“, klärt die erfahrene Kneippianerin auf.

Da das Kneipp-Erlebnis nicht nur theoretisch erfahren werden soll, sondern auch am eigenen Körper erlebt werden darf, werden die Teilnehmenden nun aufgefordert, sich draußen im Gar-ten vor dem Gästehaus zum Tautreten einzufinden. Barfuß über eine taufrische Wiese zu gehen, das sogenannte Tautreten, soll, regelmäßig ausgeführt, das Immunsystem abhärten. Unter der alten, großen Platane im Garten werden nun vorsichtige, achtsame Schritte gewagt. Tautreten habe etwas meditatives, meint eine Teilnehmerin. „Es tut unglaublich gut. Ich fühle mich frisch und konzentriert. Tautreten werde ich zukünftig definitiv in meinen Alltag integrieren“, sagt eine andere Teilnehmerin.

Nach dem Tautreten stellt Ulrike Schuler den Beinguss vor. Mit großen Gießkannen wird kaltes Wasser zuerst über das rechte Bein, von unten nach oben bis kurz über das Knie gegossen. Anschließend wird über die Beinrückseite gegossen, bevor zum Abschluss kaltes Wasser über die Fußsohlen gegeben wird. In Zweier-Teams führen die Teilnehmenden gegenseitig Beingüsse durch. „Generell gilt, dass immer Herz-fern begonnen wird“, erklärt Ulrike Schuler. Bei einem Beinguss sei wichtig, dass das Wasser nach dem Guss abfließen könne und man nicht im Wasser stehe. Ein kalter Beinguss wirke blutdrucksenkend, vegetativ beruhigend sowie schlaffördernd. „Wenn ich nachts aufwache und nicht mehr einschlafen kann, gehe ich ins Bad und mache einen Beinguss. Danach kann ich sofort wieder einschlafen“, berichtet die 63-jährige Teilnehmerin bestätigend.

Auf den Beinguss folgt nun der Armuss. Dieser könne, wie der Beinguss, mit einer Gießkanne oder einem Schlauch durchgeführt werden, oder aber, die Arme werden in eine Wanne mit kaltem Wasser getaucht. „Ich empfehle, die Arme jeweils zwei bis sechs Mal einzutauchen. Dieser „Kneipp‘sche Espresso“ wirke auch gegen innere Unruhe und Stress. 

Sichtlich entspannt wenden sich anschließend alle der frisch zubereiteten Holunderbowle und Haferkeksen zu. In geselliger Runde beschreibt Ulrike Schuler unterschiedliche Heilkräuter und -pflanzen und geht auf deren Wirkungsweisen ein. Brennnessel gelte beispielsweise als stoffwechselanregend, harntreibend und durchblutungsfördernd. Schafgarbe werde wegen ihrer entkrampfenden Wirkung geschätzt und helfe bei Appetitlosigkeit. Auch könne sie wetterbedingte Kopfschmerzen lindern. „Ich habe das Gefühl, dass das alte Wissen über Heilpflanzen und -kräuter wieder beliebter wird. Das finde ich großartig“, sagt eine der Teilnehmerinnen. Sie sei begeistert von der Erfahrung des Tautretens und den Wirkungsweisen der Güsse. „Es ist schade, dass Achtsamkeit oft in der Hektik des Alltags untergeht. Ich konnte heute Vieles für mich mitnehmen“, so die 42-Jährige.

Genau dies sei die Intention der Veranstaltung „Kneipp‘scher Espresso“, sowie all der anderen kleinen Auszeiten aus dem Summer Spirit Programm 2023. Mit den Angeboten sollen kleine Auszeiten für Seele und Körper geschaffen werden, die gleichzeitig auch Veränderungen anstoßen können. Es gehe darum, den Menschen ganzheitlich zu betrachten und im ökologischen Sinn nachhaltig zu wirken. „Oft sind es kleine Begegnungen, Momente oder Erfahrungen, die Impulse zu einer positiven Veränderung verleihen können. Auf jeden Fall erhielten wir am heutigen Morgen interessante Inspirationen, die nun Jeder für sich entdecken und entfalten darf“, so Sr. Dorothee abschließend.

Text und Fotos: Stefanie Keppeler

Hintergrund: Das Summer Spirit Auszeitenprogramm, ein gemeinsames Angebot des Amts für Tourismus, Kultur und Marketing Langenargen, der Tourismusseelsorge des kath. Dekanats Friedrichshafen, des Gästehauses St. Theresia und St. Elisabeth-Stiftung läuft noch bis zum 30. September 2023. Weitere Informationen zum Programm Summer Spirit gibt es hier.